"Die Ostererzählung" von Rainer Oberthür ist ein erfolgreiches Bilderbuch und kommt nun auch als Bildkartenset zum Einsatz. Rainer Oberthür beschreibt die Chancen der Geschichte im Kamishibai für Kindergarten und Grundschule.
„Die Ostererzählung“ – als großformatiges Kinderbuch im Jahr 2007 erschienen und in mittlerweile 10 Auflagen vom Gabriel-Verlag gedruckt – war mein erstes Bilderbuch und zugleich für diese Gattung ein Buch mit ungewöhnlich vielen Worten. Denn mir war zum einen die Bibelnähe sowie die Einbettung der Geschichte von Tod und Auferstehung in die gesamte Passionsgeschichte wichtig, zum anderen das Ernstnehmen all der schwierigen Fragen von Kindern rund um diese zentrale Geschichte des christlichen Glaubens. Ich freue mich sehr, dass mit den nun bei Don Bosco erschienenen Bildern für das „Erzähltheater“ ein weiterer Zugang zur Ostererzählung vorliegt, der neue Möglichkeiten eröffnet!
Stellen Sie sich vor, sie ständen vor der Aufgabe, Kindern von der Leidensgeschichte Jesu, von der Krise seiner Anhänger sowie vom ersten Glauben an seine Auferstehung zu erzählen! – Sicher gehen Ihnen ähnliche Fragen wie mir durch den Kopf, die es zu bedenken und zu entscheiden gibt:
Ich wollte also dem Wortlaut des Evangeliums verpflichtet und dennoch für Kinder ab 5 bis 6 Jahren aufwärts einfach und verständlich die zentrale Geschichte der christlichen Botschaft erzählen, ohne sie zu verfälschen, zu verniedlichen und zu klein zu handeln. Denn ich bin überzeugt: Schon Kinder sollten und wollen und können die Größe und Bedeutung des hier Erzählten erspüren, erahnen und erkennen.
Es brauchte tatsächlich ungefähr neun Monate, bis ein Text zur Welt kam, so kurz und doch so oft bearbeitet wie kein anderer von mir zuvor. Ein intensives Ringen um die angemessenen Worte führte zu einem bibelnahen, strukturierten und komponierten „Text-Gewebe“. Immer ging es um biblische und theologische Stimmigkeit in verdichteten Sprachangeboten für kleine Kinder, die ihre Erfahrens- und Verstehensmöglichkeiten berücksichtigen und über den Tag hinaus gültig bleiben können.
Der Bibeltext ist eingebettet in ein Gespräch zwischen Kind und Mutter (auf der Textseite kursiv gedruckt), das mir viele Frage- und Deutungsmöglichkeiten eröffnet. Das Kind verlangt nach der Erzählung von Jesu Tod und die Mutter erzählt die „schwere“ Geschichte ganz am Markusevangelium orientiert. Der Auftakt zur Passionsgeschichte ist wie bei Markus die Erzählung vom blinden Bartimäus, der in der Begegnung mit Jesus sehen lernt und (auf den Bilder sichtbar) mit Jesus mitgeht. Der Text betont Tag für Tag die „Heilige Woche“, die mit dem 8. Tag, dem Ostertag der Auferstehung und der neuen Schöpfung endet. So kann ich – deutlicher als bei Markus erkennbar – die Bezüge zu unseren Festen und ihrer Bedeutung als Erinnerungsgeschehen herausstellen. Erinnerung ist auch Thema der Salbung Jesu durch die Frau. Wichtig war mir auch das bei Markus (anders als bei Matthäus und Lukas) gelungene Gespräch Jesu mit den Schriftgelehrten. Wie das ursprüngliche Markus-Evangelium endet meine Ostererzählung mit den sprachlosen Frauen am Grab. Der Hörer und Leser der Geschichte steht selbst vor die Frage: Glaubst du, was hier erzählt wird? Darüber sprechen am Ende auch Mutter und Kind.
Renate Seelig hat im zweiten Schritt zu den jeweiligen Textseiten einfühlsame und intensive Bilder geschaffen. Sie findet eigene Bildlösungen jenseits historisch „korrekter“ Abbildungen, die den Bibeltext ernst nehmen und Kinder in das Erzählte hineinnehmen. Ihr „filmisches“ Erzählen, oft mit verschiedenen Szenen auf einer Seite, ihr Umgang mit Farben, ihr Gefühl für Landschaften und ihre Gestaltung der Personen durch die Bildmotive hindurch faszinieren mich. In diesen Bildern gibt es viel zu entdecken! Einzelne dargestellte Situationen berühren mich sehr: Bartimäus am Wegesrand, der Einzug in Jerusalem, die Salbung durch die Frau, Jesu Gespräch mit den Schriftgelehrten, das Ringen Jesu im Garten Getsemani, das Abendmahl und die Frauen am Grab.
Die Präsentation der Ostererzählung im Erzähltheater eröffnet im Verbund mit den großformatigen Bildszenen ein konzentriertes Erzählen und Zuhören, Betrachten und Verweilen. Mir persönlich ist der bibelnahe Wortlaut sehr wichtig. Das freie Erzählen mit eigenen Zusätzen ist sicher auch eine Möglichkeit der Vertiefung des biblischen Gehaltes, sollte aber immer der Bibel verpflichtet sein und nicht zu stark psychologisierend in die Gefühle der Personen hineingehen. Besser erscheint mir die Frage nach unseren Gefühlen und Glaubensfragen, nach unseren Einschätzungen des Erzählten zu sein.
Auch ist je nach Zeit und Situation zu entscheiden, ob die Geschichte in mehreren Schritten bzw. Tagen mit vertiefendem Nachfragen und Bedenken und kreativem Arbeiten präsentiert wird oder in einem Erzählzusammenhang mit anschließendem Nachbetrachten und weiteren intensiveren Zugängen. Beide Wege haben sich bei mir und vielen anderen mit guten Rückmeldungen bewährt.
Für ein intensiveres Hineingehen in einzelne Motive und Szenen, für die kreative Vertiefung und Nacharbeit habe ich eine Reihe von Arbeitsblättern entwickelt, die auf meiner Homepage in der Rubrik „Material“ als Download kostenfrei angeboten werden: http://www.rainer-oberthuer.de/material/
Das Bildkarten-Set für das Erzähltheater, verzichtet sinnvollerweise auf die kleinen Vignetten, die im Bilderbuch das Gespräch zwischen Mutter und Kind begleiten, und konzentriert sich auf die biblische Geschichte selbst. Dabei werden einige Szenen besonders groß und eindrucksvoll herausgehoben:
Der Durchgang durch die Bildmotive mag veranschaulichen, dass die Kombination der Erzählung und der Illustrationen, das Zusammenführen der Worte und Bilder diese großartige Geschichte des Glaubens intensiv und nachhaltig zur Wirkung bringen kann.
Viel Freude beim Lesen und Hören, Sehen und Bedenken mit den Kindern wünscht
Rainer Oberthür
Rainer Oberthür und Renate Seelig erzählen die biblische Geschichte als Ursprung unseres Osterfests, von Jesu Einzug in Jerusalem an Palmsonntag bis zum Ostermorgen.
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