Heule Eule und die Bedürfnisse

Kleine Eule - große Weisheit.

Publiziert am 05.03.2020 von Eva-Maria Maywald

Die Heule Eule ist – mit guten Grund – eine der beliebtesten Bilderbuchgeschichten überhaupt. Sie ist einfach zu niedlich! Und sie ist, auch wenn sie noch klein ist, schon sehr weise... Mit der Heule Eule können wir mit Kindern selbst Bedürfnisse und Gefühle zum Thema machen. Und was erzählt die Geschichte uns über uns selbst?

Bedürfnisse und Gefühle kennenlernen

Seine eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu erkennen ist einer der Schlüssel, um mit sich selbst in gutem Kontakt zu sein und daher eine wichtige Grundlage für ein glückliches Leben. Es ist auch Voraussetzung für gesundes Einfühlungsvermögen in die Gefühle anderer, was den guten Kontakt zu anderen Menschen erst ermöglicht. Die Geschichte der Heule Eule bietet einen guten Aufhänger, um mit Kindern selbst Bedürfnisse und Gefühle zum Thema zu machen. Aber die kleine Eule hat auch für uns Großen einiges an Weisheit parat.

Die Geschichte

Eine kleine Eule sitzt auf dem Waldboden und heult. Die Tiere des Waldes können das Heulen irgendwie gar nicht gut ertragen und versuchen alles Mögliche, um sie zum Aufhören zu bewegen. Sie fragen die kleine Eule, was denn passiert sei? Der Rabe bietet ihr an, mit seinen bunten Steinchen zu spielen. Sie vermuten Hunger, basteln ihr Geschenke und versuchen es mit Strenge. Aber irgendwie will das alles nicht so recht klappen.

Wir Erwachsenen und unsere Bedürfnisse

Im Umgang mit anderen Menschen, vor allem aber mit Kindern, die Gefühle erleben, die wir selbst schwer aushalten können, greifen wir oft zu Lösungs-Strategien. Genau wie die Tiere in der Geschichte machen wir Angebote, wir versuchen, zu trösten. Wichtig ist, zu erkennen, dass es sich für uns besser anfühlt, etwas zu tun. An den Bedürfnissen des Kindes, das z.B. gerade weint oder tobt, geht es aber oft vorbei. Gerade wenn wir mit Kindern zusammen sind, begegnen wir oft unseren eigenen „Problemzonen“. Vielleicht war unser eigenes Weinen einmal nicht Willkommen oder wir fürchten, unsere Wut könnte anderen Menschen die Lust daran verderben, Zeit mit uns zu verbringen. Und dann fühlt es sich besser an, schnell nach einer Lösung zu suchen und das Kind (und uns) zu beruhigen. Dass das, genau wie bei der Heule Eule, nicht funktioniert, ist kein Wunder…

Die Kinder und ihre Bedürfnisse

…denn vielleicht ist es gar nicht das, was das Kind gerade braucht. Ich habe im vorherigen Absatz ganz bewusst „weint oder tobt“ geschrieben und nicht „ist traurig oder wütend“. Denn darin liegt eine Annahme. Diese Annahme beruht – völlig natürlich übrigens – auf unserer eigenen Erfahrung: wenn ich weine, fühle ich mich „so“. Und dieses „so“ nehmen wir nur für das Kind an. Und wir tun für das Kind das, was wir selbst brauchen würden, wenn wir uns „so“ fühlen. So wirklich trifft unsere Annahme aber das Gefühl dieses Kindes vielleicht gar nicht. Es bekommt also nicht, was es braucht. Die kleine Heule Eule flattert dann irgendwann zur Mama und auf einmal ist alles wieder gut. Sie weiß nicht einmal mehr, was eigentlich los war.

Was nun?

Hier kommt das wunderbare Zitat aus dem Bild oben ins Spiel. "Statt zu sagen: Sitz nicht einfach nur da – tu irgendetwas, sollten wir das Gegenteil fordern: Tu nicht einfach irgendetwas – sitz nur da." (Thich Nhat Hanh). Es ist für mich wie ein Gegengift zu unserem wohlmeinenden Aktivismus, es schenkt Entspannung und Raum. Nicht einfach irgendwas tun. Erstmal einfach nur da sein. Selbst tief durchatmen. Damit sorgen wir gut für uns, damit wir mit uns selbst gut in Kontakt sind. Und dann können wir auch mit dem Kind sein, das Weinen oder Toben besser aushalten, das Kind wirklich sehen. Das ist wahre Empathie und echter Kontakt – mit dem Wissen, dass ich es vielleicht eben nicht ganz genau weiß, was da gerade vorgeht. Kinder erleben so viele neue Eindrücke, machen so viele neue Erfahrungen und fühlen so viele neue Gefühle – manchmal ist es einfach nur Überwältigung und das Nervensystem ist überlastet. Ein „Warum?“ oder „Was ist passiert?“ ist da gar nicht nötig und überfordert manchmal zusätzlich. Dann suchen die Kinder für uns Gründe, statt einfach nur mit ihren Gefühlen da zu sein.

Jesper Juul sagte im Interview mit dem Spiegel:

„Das Beste ist, wenn sie (die Kinder) mit echten Menschen aufwachsen und nicht mit Schauspielern, die immerzu ihre Elternrolle aufführen.“

Und das, finde ich, gilt auch für alle Menschen, die mit Kindern sonst zu tun haben oder arbeiten. Durch echte Begegnung, nicht nur in unseren professionellen Rollen, durch unsere eigene Achtsamkeit, unser eigenes Einfühlungsvermögen, unseren eigenen Umgang mit unseren Gefühlen, werden wir Kindern zu wahren Vorbildern und ermöglichen ihnen die Erfahrung von gutem Kontakt mit sich selbst und anderen.

Tipp:

Im Rahmen der Geschichte und auch im Alltag bietet es sich an, die Kinder nach ihren eigenen Erfahrungen zu fragen. Aber alleine schon das Vorlesen der Geschichte bewirkt viel!

  • Wie fühlt sich das an, wenn du dich unruhig/besorgt/aufgebracht/… oder heiter/entspannt/mutig/… fühlst (Körperempfindungen, Gefühle,…)?
  • Welche Gefühle können die Kinder benennen?
  • Bedürfnisse erkennen: Was tut denn gut, wenn du dich erschrocken hast oder dich ängstlich, alleine, traurig oder wütend (…) fühlst?
  • Hast du selbst schon einmal geweint und wusstest gar nicht so richtig, warum?
  • ...

Für Einrichtungen: Die Reihe " Qualitätvolle Kita" unterstützt Leiter*innen und pädagogische Fachkräfte dabei, im Team an der Weiterentwicklung der Qualität zu arbeiten. Zu alltäglichen Schlüsselsituationen gibt es jeweils 33 handliche DIN-A6-Karten mit Fotoimpulsen auf der Vorderseite und Leitfragen auf der Rückseite. Mit dieser einfachen dialogischen Methode gelingt es, im Team schnell und effizient zu guten Ergebnissen zu kommen. Berücksichtigt werden dabei wertschätzend die fachlichen Kompetenzen des Personals, dessen Werthaltungen und die konkreten Rahmenbedingungen der Einrichtung.

Sybille Schmitz

Kindliche Bedürfnisse als Mittelpunkt der Kita-Pädagogik

Mit praktischen Ideen für den Erziehungsalltag

Erst, wenn ihre grundlegenden Bedürfnisse befriedigt sind, können Kinder ihr großes Potenzial und ihre Kompetenzen entwickeln. Methoden zur bedürfnisorientierten Pädagogik.

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