Erfahrungen und Tipps einer Märchenpädagogin
Aus der Erzählpraxis einer Märchenpädagogin sind einige zentrale und praxistaugliche Tipps zusammengestellt, die vor allem für die Erzählrunden mit dem Kamishibai in der öffentlichen Bücherei hilfreich sind.
Seit vielen Jahren schon bieten unzählige öffentliche Büchereien regelmäßig Vorlesestunden für Kinder an. Hier bietet das Erzählen mit dem Kamishibai eine interessante Alternative zum klassischen Vorlesen. Die großen Bilder im A3-Format laden die Kinder zum Träumen ein und wecken ihre Neugier und ihr Interesse. Anders als beim Vorlesen von Bilderbüchern macht es beim Kamishibai Sinn, die Geschichte frei zu erzählen. So kann der Erzähler den Blickkontakt zu den Kindern halten, beim Erzählen auf ihre Mimik und Gestik reagieren und die Geschichte entsprechend etwas spannender machen oder auch ein wenig Spannung herausnehmen. Jedes Kind ist einzigartig und reagiert je nach Vorerfahrungen und Entwicklungsstand unterschiedlich auf die erzählte Geschichte. Das gilt es beim Erzählen im Blick zu haben.
Wenn Sie sich entscheiden mit dem Kamishibai in der Bücherei zu erzählen, sollten im Vorfeld einige Punkte geklärt werden. Das hilft Ihnen, die Situation besser einschätzen zu können, und gibt Ihnen Sicherheit. Folgende Fragen sollten unbedingt im Voraus geklärt werden:
Doch nun zum wichtigsten Punkt, der praktischen Vorbereitung des freien Erzählens. Hier geht es nicht um ein stures Auswendiglernen des Textes, sondern vielmehr darum die Geschichte frei und in eigenen Worten wiedergeben zu können. Das braucht zugegeben etwas Zeit im Vorfeld, wird aber durch den Blick in strahlende Kinderaugen fürstlich belohnt.
Deshalb ist es unabdingbar, dass Sie sich im Voraus mit der Geschichte vertraut machen. Die Bilder des Kamishibais machen es Ihnen als Erzähler/in leicht, sich den Text einzuprägen. Sie sind eine gute Gedankenstütze und helfen dabei den „roten Faden“ nicht zu verlieren. Bei den Vorbereitungen helfen folgende Fragen:
Dieser letzte Punkt ist in meinen Augen ganz besonders wichtig. Die Kinder sollen in die Geschichte eintauchen, aktiv dabei sein und sich ihre eigenen Gedanken zum Geschehen machen. Das wird durch gezielte Fragen, kurze Gespräche und kleine Bewegungsimpulse möglich. Um zu veranschaulichen wie so etwas aussehen könnte, hier ein paar Beispiele aus der Praxis zu einer meiner Lieblingsgeschichten, der Geschichte „Die drei Schmetterlinge“: Darin geht es um drei befreundete Schmetterlinge, die von einem Regenschauer überrascht werden und sich auf die Suche nach einem Platz zum Unterstellen machen. Doch egal welche Blume sie fragen, immer darf nur einer der drei bleiben und die anderen beiden werden abgewiesen. Doch keiner der drei möchte von seinen Freunden getrennt werden.
Nach diesen Vorbereitungen bietet es sich an, die Geschichte noch einige Male zu wiederholen, damit Sie Sicherheit im Erzählen bekommen.
Angekommen in der Bücherei muss der Standort des Kamishibais so gewählt werden, dass während des Erzählens alle Kinder eine gute Sicht auf die Bilder haben. Optimal ist ein kleiner Tisch oder Schrank. Wenn es sich um einen kleinen Erzählkreis (bis zu zwölf Kinder) handelt, können Sie sich auch zu den Kindern auf den Boden setzen und das Kamishibai vor sich stellen. Gegenüber von Ihnen bilden die Kinder einen Halbkreis und haben somit einen unverstellten Blick auf die Bilder.
Zu den Vorlesestunden kommen die Kinder aus den unterschiedlichsten Situationen in die Bücherei. Manche waren gerade noch beim Sport, andere haben einen langen Kindergartentag hinter sich oder sie saßen bis vor wenigen Minuten über den Hausaufgaben. Deshalb ist es wichtig, die Vorlesestunde gemeinsam zu beginnen. Ein kurzer Reim oder ein festes Ritual bringt die Gruppe zur Ruhe und stimmt die Kinder auf die kommende Geschichte ein. Ein Beispiel aus meiner Praxis ist dieser Reim:
Rische, rasche, rei,
Geschichte komm herbei!
(Dreimal wiederholen.)
Falle in mein Herz hinein,
dann wirst du immer bei mir sein.
(mündlich überliefert)
Nun erst öffnet sich das Kamishibai langsam und das Bild des Vorhangs ist zu sehen. An dieser Stelle gehe ich mit den Kindern ins Gespräch und frage, ob sie bereits einmal im Theater waren und was dort geschieht, wenn das Licht ausgeht, aber der Vorhang noch geschlossen ist. In der Regel wissen die Kinder, dass es an dieser Stelle bereits den ersten Applaus gibt und genau so starten wir dann auch – mit dem Klatschen der Kinder und dem langsamen Heben des Vorhangs bzw. der Vorhangkarte.
Und jetzt kommt endlich die lang erwartete Geschichte ...
Margret Ehrmann arbeitet als Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Vor einigen Jahren bildete sie sich bei den Sprechwerkern in München zur Märchenpädagogion weiter. Seither erzählt sie in Büchereien, Kindertagesstätten und Kirchengemeinden Märchen für kleine und große Zuhörer.
Langsam hebt sich der Vorhang und gibt Zentimeter für Zentimeter den Blick auf die erste Szene frei! Ein schönes Ritual für authentische Theateratmosphäre.
Mehr Info„Geschichtenzeit – an jedem Mittwoch um 15 Uhr für Klein und Groß“ – so oder ähnlich verschicken Hunderte von Büchereien regelmäßig eine Einladung zum Vorlesen und Erzählen. Und Tausende kommen! Denn Büchereien sind sozusagen das „öffentliche Wohnzimmer“ in den Dörfern und Städten.
Zum BeitragEs gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Geschichte gestalterisch umzusetzen. Die Erzieherin Margret Ehrmann hat die Fabel von den drei Schmetterlingen auf einem Sommerfest der Kulturen mit wunderschönen, farbenfroh gestalteten Bildern präsentiert. Ein Praxisbeispiel.
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