So klappt es mit dem Kamishibai in der Bücherei

Erfahrungen und Tipps einer Märchenpädagogin

Publiziert am 29.08.2019 von Margret Ehrmann

Aus der Erzählpraxis einer Märchenpädagogin sind einige zentrale und praxistaugliche Tipps zusammengestellt, die vor allem für die Erzählrunden mit dem Kamishibai in der öffentlichen Bücherei hilfreich sind.

Erfolgreich erzählen in der Bücherei

Welchen Vorteil hat das Kamishibai gegenüber dem Vorlesen?

Seit vielen Jahren schon bieten unzählige öffentliche Büchereien regelmäßig Vorlesestunden für Kinder an. Hier bietet das Erzählen mit dem Kamishibai eine interessante Alternative zum klassischen Vorlesen. Die großen Bilder im A3-Format laden die Kinder zum Träumen ein und wecken ihre Neugier und ihr Interesse. Anders als beim Vorlesen von Bilderbüchern macht es beim Kamishibai Sinn, die Geschichte frei zu erzählen. So kann der Erzähler den Blickkontakt zu den Kindern halten, beim Erzählen auf ihre Mimik und Gestik reagieren und die Geschichte entsprechend etwas spannender machen oder auch ein wenig Spannung herausnehmen. Jedes Kind ist einzigartig und reagiert je nach Vorerfahrungen und Entwicklungsstand unterschiedlich auf die erzählte Geschichte. Das gilt es beim Erzählen im Blick zu haben.

Im Vorfeld klären

Wenn Sie sich entscheiden mit dem Kamishibai in der Bücherei zu erzählen, sollten im Vorfeld einige Punkte geklärt werden. Das hilft Ihnen, die Situation besser einschätzen zu können, und gibt Ihnen Sicherheit. Folgende Fragen sollten unbedingt im Voraus geklärt werden:

  • Wieviele Kinder werden zu der Erzählstunde erwartet? Sind die Eltern ebenfalls anwesend? Vor allem wenn Sie erst beginnen mit dem Kamishibai zu erzählen, sollte die Gruppe nicht zu groß sein. Zehn bis zwölf Kinder sind für den Beginn völlig ausreichend.
  • Gibt es jemanden, der Sie während der Stunde unterstützt? Es gibt in jeder Erzählrunde Kinder, die plötzlich zur Toilette müssen oder anderweitig Hilfe brauchen. Damit Sie sich ganz auf das Erzählen konzentrieren können, ist es sinnvoll, dass eine andere Person diese Aufgaben übernimmt.
  • Welche Regeln sind in der Bücherei einzuhalten? In jeder Bücherei gibt es feste Regeln, wie z. B. "Nicht essen und trinken". Es nimmt spätere Diskussionen vorweg, wenn Sie diese gleich zu Beginn der Stunde mit den Kindern durchsprechen.

Die Geschichte vorbereiten, damit es klappt

Doch nun zum wichtigsten Punkt, der praktischen Vorbereitung des freien Erzählens. Hier geht es nicht um ein stures Auswendiglernen des Textes, sondern vielmehr darum die Geschichte frei und in eigenen Worten wiedergeben zu können. Das braucht zugegeben etwas Zeit im Vorfeld, wird aber durch den Blick in strahlende Kinderaugen fürstlich belohnt.

Deshalb ist es unabdingbar, dass Sie sich im Voraus mit der Geschichte vertraut machen. Die Bilder des Kamishibais machen es Ihnen als Erzähler/in leicht, sich den Text einzuprägen. Sie sind eine gute Gedankenstütze und helfen dabei den „roten Faden“ nicht zu verlieren. Bei den Vorbereitungen helfen folgende Fragen:

  • Um was geht es in der Geschichte? Kurz und knapp zusammengefasst.
  • Wo möchten Sie die Erzählung etwas ausschmücken? Welche Details dürfen auf keinen Fall fehlen? Gibt es dafür Merkhilfen/Gedankenstützen auf den Bildern?
  • Brauchen Sie alle Bilder oder lassen Sie vielleicht das eine oder andere weg?
  • Wo und wie können Sie die Kinder miteinbeziehen?

Ein Beispiel: Die drei Schmetterlinge

Dieser letzte Punkt ist in meinen Augen ganz besonders wichtig. Die Kinder sollen in die Geschichte eintauchen, aktiv dabei sein und sich ihre eigenen Gedanken zum Geschehen machen. Das wird durch gezielte Fragen, kurze Gespräche und kleine Bewegungsimpulse möglich. Um zu veranschaulichen wie so etwas aussehen könnte, hier ein paar Beispiele aus der Praxis zu einer meiner Lieblingsgeschichten, der Geschichte „Die drei Schmetterlinge“: Darin geht es um drei befreundete Schmetterlinge, die von einem Regenschauer überrascht werden und sich auf die Suche nach einem Platz zum Unterstellen machen. Doch egal welche Blume sie fragen, immer darf nur einer der drei bleiben und die anderen beiden werden abgewiesen. Doch keiner der drei möchte von seinen Freunden getrennt werden.

  • „Es waren einmal drei Schmetterlinge. Ein roter, ein gelber und ein weißer Schmetterling.“ – Hast du heute schon einen Schmetterling gesehen? Welche Farbe hatte er? Was hat er gemacht?
  • „Da fielen bereits die ersten Regentropfen zur Erde hinab.“ – Mögen Schmetterlinge Regen? Was könnten die Schmetterlinge nun machen? Wo können sie Schutz finden? (Dabei können sie mit den Fingern auf dem Boden das Geräusch von Regentropfen nachahmen. Erst ganz sachte und dann immer stärker werden.)
  • „Die gelbe Blume aber wollte nur dem gelben Schmetterling Schutz vor dem Regen geben.“ – Stell dir mal vor, du bist der gelbe Schmetterling. Würdest du lieber bei der gelben Blume Schutz suchen oder würdest du bei deinen Freunden bleiben?

Nach diesen Vorbereitungen bietet es sich an, die Geschichte noch einige Male zu wiederholen, damit Sie Sicherheit im Erzählen bekommen.

In der Bücherei

Angekommen in der Bücherei muss der Standort des Kamishibais so gewählt werden, dass während des Erzählens alle Kinder eine gute Sicht auf die Bilder haben. Optimal ist ein kleiner Tisch oder Schrank. Wenn es sich um einen kleinen Erzählkreis (bis zu zwölf Kinder) handelt, können Sie sich auch zu den Kindern auf den Boden setzen und das Kamishibai vor sich stellen. Gegenüber von Ihnen bilden die Kinder einen Halbkreis und haben somit einen unverstellten Blick auf die Bilder.

Der Einstieg

Zu den Vorlesestunden kommen die Kinder aus den unterschiedlichsten Situationen in die Bücherei. Manche waren gerade noch beim Sport, andere haben einen langen Kindergartentag hinter sich oder sie saßen bis vor wenigen Minuten über den Hausaufgaben. Deshalb ist es wichtig, die Vorlesestunde gemeinsam zu beginnen. Ein kurzer Reim oder ein festes Ritual bringt die Gruppe zur Ruhe und stimmt die Kinder auf die kommende Geschichte ein. Ein Beispiel aus meiner Praxis ist dieser Reim:

Rische, rasche, rei,
Geschichte komm herbei!
(Dreimal wiederholen.)
Falle in mein Herz hinein,
dann wirst du immer bei mir sein.

(mündlich überliefert)

Nun erst öffnet sich das Kamishibai langsam und das Bild des Vorhangs ist zu sehen. An dieser Stelle gehe ich mit den Kindern ins Gespräch und frage, ob sie bereits einmal im Theater waren und was dort geschieht, wenn das Licht ausgeht, aber der Vorhang noch geschlossen ist. In der Regel wissen die Kinder, dass es an dieser Stelle bereits den ersten Applaus gibt und genau so starten wir dann auch – mit dem Klatschen der Kinder und dem langsamen Heben des Vorhangs bzw. der Vorhangkarte.

Und jetzt kommt endlich die lang erwartete Geschichte ...

Margret Ehrmann arbeitet als Erzieherin in einer Kindertagesstätte. Vor einigen Jahren bildete sie sich bei den Sprechwerkern in München zur Märchenpädagogion weiter. Seither erzählt sie in Büchereien, Kindertagesstätten und Kirchengemeinden Märchen für kleine und große Zuhörer.

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