Demokratiebildung und Partizipation
In einer Demokratie zu leben, ist Freiheit und Privileg. Schon Kinder können erfahren, dass Beteiligung an der Gemeinschaft im Schulalltag möglich und sinnvoll ist. Klassengemeinschaft, Klassenrat und Schülerparlament: ein Überblick über verschiedene Möglichkeiten, wie Kinder in der Grundschule Bedürfnisse formulieren, Selbst- und Mitbestimmung einüben, Konflikte lösen und demokratische Entscheidungen herbeiführen lernen.
Unsere Kinder wachsen in einer Zeit auf, in der es zunehmend wichtig ist, die Grundwerte einer Demokratie, die mit ihr verbundene Sicherheit und Freiheit, transparent und erfahrbar zu machen. Denn in einer demokratischen Gesellschaft aufzuwachsen, ist auch ein Privileg. Wenn Kinder im Schulalltag Demokratie leben können und somit Erfahrungen im Kleinen machen, die sich zunehmend auf andere Lebenssituationen im gesellschaftlichen Alltag übertragen lassen, lernen sie wie nebenbei, worauf es bei Partizipation, Leben in Gemeinschaft und Beteiligung ankommt. Welche Möglichkeiten und Orte gibt es dafür in der Grundschule?
Mit der Einschulung wird jedes Kind Mitglied einer neuen Gemeinschaft. Das Leben und der Alltag in dieser kleinen Gemeinschaft bieten bereits in den allerersten Schulwochen Möglichkeiten der Partizipation, wenn es um die Fragen geht: Wie wollen wir gemeinsam in der Klasse leben und lernen? Welche Regeln sind uns wichtig? Hier bringen viele Kinder Vorwissen mit und sie haben eine gute Vorstellung davon, wie das Miteinander funktionieren kann. Statt Regeln vorzugeben, die mir als Lehrkraft wichtig sind, ist es sinnvoll, die Kinder gemeinsam Regeln aufstellen zu lassen, damit sich jedes Mitglied der Klassengemeinschaft wohlfühlt.
Innerhalb einer Gemeinschaft gibt es selbstverständlich immer wieder Situationen, über die gemeinsam beraten werden muss. Eine gute Möglichkeit für einen verlässlichen Rahmen bietet die Einrichtung eines Klassenrates. Im Idealfall ist dieser im Schulprogramm verankert und wird einmal wöchentlich mit der Klassenlehrkraft durchgeführt. In den unteren Klassenstufen leitet die Klassenlehrkraft den Klassenrat und wird damit zum Vorbild im demokratischen Sprechen.
Ein Klassenrat kann mit einer „positiv Runde“ beginnen, in der alle Teilnehmer etwas Positives aus der vergangenen Woche innerhalb der eigenen Klasse berichten. Anschließend kann ein Austausch folgen über Probleme, Anliegen, Wünsche und auch Lob, Entschuldigung und Dankeschön. Hier bieten sich Symbolkarten und Satzanfänge zur Transparenz und Sprachbildung an. Ergebnisse werden in einem Protokoll festgehalten und sind somit verbindlich. Wichtig: Die Lehrkraft moderiert den Klassenrat, ist jedoch ein gleichwertiges Mitglied.
Nach und nach übernehmen die Kinder die Leitung des Klassenrates und nehmen ihn so als demokratisches Gremium wahr. Während der Ablauf immer gleichbleibend ist, kann die Organisation noch um Rollenkarten (Moderator:in/Protokollführer:in/Zeitwächter:in/Regelwächter:in) ergänzt werden. Auch können Anliegen schriftlich in einem Klassenpostkasten eingereicht werden.
Wenn sich eine Klassengemeinschaft gebildet hat und alle Mitglieder einander kennengelernt haben, dann können Klassensprecher:innen gewählt werden. Ganz nebenbei lernen die Kinder die Prinzipien einer demokratischen Wahl kennen; denn sie muss allgemein, unmittelbar, frei, geheim und gleich durchgeführt sein. Außerdem sollten Erwartungen an das Amt der Klassensprecherin/des Klassensprechers gemeinsam besprochen und festgehalten werden.
In einem regelmäßigen Abstand können sich alle gewählten Klassensprecher:innen einer Schule in einem Schülerparlament treffen. Gemeinsam mit einer Lehrkraft und der Schulleitung können hier Anliegen besprochen werden, die die gesamte Schulgemeinschaft betreffen. Themen können auch hier gemeinsame Regeln, Planung und Organisation von gemeinsamen Schulfesten, Gestaltung des Schulgebäudes usw. sein. Die Delegierten wiederum geben Ergebnisse bekannt und tragen Ideen aus dem Schülerparlament in den eigenen Klassen vor.
Bei all diesen Möglichkeiten, Demokratie zu lernen und Partizipation zu leben, ist es unabdingbar, dass die Kinder als gleichwertige Mitglieder der Gemeinschaft betrachtet werden und auf Augenhöhe miteinander kommuniziert wird. Als Lehrkraft bedeutet dies, sich manchmal zurückzunehmen, Lösungsvorschläge nicht überzustülpen, Abstimmungen nicht zu manipulieren und hinzunehmen, dass die Ergebnisse nicht immer der eigenen Vorstellung entsprechen.
Wichtig: Natürlich gibt es im Schulalltag Entscheidungen, die von den Lehrkräften zu treffen sind. Dafür müssen diese Verantwortung tragen und nicht versuchen, die Entscheidungen durch scheinbar demokratische Abstimmungen zu legitimieren.
Das gemeinsame Erfahren von Demokratie und die Möglichkeit der Partizipation haben positive Effekte auf die gesamte Schulgemeinschaft und das Zusammenleben im Schulalltag. Die Kinder lernen, angemessen ihre Meinung zu vertreten, und erleben, dass sie gehört werden. Sie werden mit sprachlichen Mitteln ausgestattet, die ihnen ermöglichen demokratisch zu kommunizieren.
Wer mitbestimmt, der fühlt sich auch mitverantwortlich. Zum Beispiel für das Lösen eines Konfliktes innerhalb der Klasse, für das Gelingen eines gemeinsam geplanten Ausfluges und Klassenfestes, für den sorgsamen Umgang mit angeschaffter Einrichtung oder Ausstattung des Schulhofes …
Um den Kindern immer wieder die Möglichkeiten von Mitbestimmung aufzuzeigen und als Einstieg in das Thema bieten sich die Kamishibai Bildkarten „Wer bestimmt hier eigentlich? Demokratie lernen, Partizipation leben“ an. Am Beispiel einer Sachgeschichte (der Schulhof einer Schule soll neu gestaltet werden) werden verständlich und klar alle Grundprinzipien der Demokratie anschaulich. Zu jeder Bildkarte gibt es einen Vorlesetext und Fragen, die zur Anschlusskommunikation anregen. Zusätzlich sind Arbeitsblätter und methodische Hinweise enthalten, wie demokratische Verfahren in der Grundschule erarbeitet werden können.
Im Unterricht bietet es sich an, im Sachunterricht und im Deutschunterricht mit und zu den Bildkarten zu arbeiten. Wenn die Geschichte bekannt und der Fachwortschatz gesichert ist, dann können einzelne Bildkarten immer wieder passend in den Unterricht eingebunden und Bezug zur Sachgeschichte genommen werden.
Auch um vom „Kleinen“ zum „Großen“ zu gelangen eignen sich die Bildkarten. Denn wenn über Wahlen und Politik gesprochen wird, hilft es ungemein, wenn die Kinder Anknüpfungspunkte in ihrem Alltag finden können.
Svenja Nüsse ist Klassenleiterin in der Grundschule und unterrichtet neben Deutsch und DaZ auch Sachunterricht, Religion und Kunst.
Mit einer Alltagsgeschichte Demokratie erklären: Schüler entscheiden, wie der Schulhof gestaltet werden soll. Für Grundschule und Kita, inkl. Textvorlage
Mehr InfoLehrkräfte haben als Wissensvermittler einen Bildungsauftrag und sind zugleich Wächter über das Kindeswohl. Besonders klar wird das am Thema Kinderrechte. Unsere Unterrichtsidee für die Grundschule zum Weltkindertag zeigt, wie Schüler:innen sich über Grundrechte der Kinder informieren und austauschen können.
Zum BeitragDie Geschichte "In meiner Straße: Geteilte Freude ist doppelte Freude" handelt von Zusammenhalt, Mut, Hilfsbereitschaft und Freundschaft. Sie bietet daher viele Möglichkeiten, im Unterricht in der Grundschule eingesetzt zu werden. Im Beitrag gibt es Arbeitsblätter im kostenlosen Download für den Einsatz im Deutschunterricht, in Religion oder im Ethikunterricht.
Zum BeitragÜberall dort, wo Menschen einander mögen, entsteht ein WIR. Klappt es zwischen den Menschen, wird das WIR groß und stark. Gibt es Krach, wird das WIR klein, krank und schließlich unsichtbar. Eine Unterrichtsidee zum Bildkartenset „Das kleine WIR“ (Daniela Kunkel)
Zum Beitrag