Religionssensibel erzählen können in Kita und Grundschule
Vor allem in nicht-kirchlichen Kitas, Bibliotheken und Begegnungsstätten werden Weihnachtsgeschichten mit christlichem Hintergrund ungern erzählt. Was bewirkt eine so verstandene Rücksichtnahme wirklich und wie finden Sie die beste Lösung für Ihre Einrichtung?
"Mit Rücksicht auf die muslimischen Kinder erzählen wir keine christlichen Geschichten." – So lautet vor allem in nicht-kirchlichen Kitas, Bibliotheken und Begegnungsstätten eine oft geäußerte Meinung, wenn es in Gesprächen und Diskussionsrunden um die Frage geht, was und wie für Kinder aus verschiedenen Herkunftsländern vorgelesen, erzählt und mit dem Kamishibai-Erzähltheater dargestellt werden kann. Aber was bewirkt eine so verstandene Rücksichtnahme wirklich und was bedeutet diese Haltung für das Erzählen gerade jetzt in der christlich geprägten Advents- und Weihnachtszeit?
Persönliche Begegnungen mit Menschen, die aus Kriegs- und Krisenregionen geflohen sind, zeigen immer wieder, dass viele von ihnen offen von ihrer Religiosität erzählen und nicht selten mit der Hoffnung zu uns kommen, ihren Glauben hier selbstbestimmter und mündiger leben zu können. Irritierend und befremdlich ist für viele Familien aus anderen Herkunftsländern weniger die Begegnung mit dem Christlichen, sondern eher die Erfahrung, dass Religion in unserem Erzählen, Feiern und Zusammenleben oft eine nur geringe Achtung erfährt.
Mit der Advents- und Weihnachtszeit stellt sich in nahezu allen Lebensbereichen irgendwann die Frage nach einem religionssensiblen Miteinander, unabhängig von der persönlichen Weltanschauung. Religionssensibilität ist von einer Haltung der Achtsamkeit, Feinfühligkeit und des Respekts gegenüber dem gesellschaftlichen Phänomen der Religion geprägt. Sie lässt sich verstehen und gestalten im Sinne der weltweit geltenden UN-Kinderrechtskonvention, die in Artikel 29 beschreibt, dass Bildung darauf ausgerichtet sein soll, dem Kind Achtung vor „seiner kulturellen Identität, seiner Sprache und seinen kulturellen Werten, den nationalen Werten des Landes, in dem es lebt, und gegebenenfalls des Landes, aus dem es stammt, sowie vor anderen Kulturen als der eigenen zu vermitteln“ .
Ebenso sind emotionale Bedürfnisse zu berücksichtigen: Hoffnungen und existentielle Sehnsüchte, Trauer und Freude, Feste, Symbole und Rituale, Gerechtigkeit und Schuld, Liebe und Würde, spirituelle Momente, Sinnsuche und Transzendenz sind in unterschiedlicher Ausprägung tragende Erfahrungen bei vielen religiösen wie auch ethischen und philosophischen Orientierungen. Eine bewusste Vermeidung von Geschichten mit religiösen Aspekten – seien diese nun christlich, muslimisch, jüdisch oder anders zu deuten – scheint zugleich der Auseinandersetzung mit eben diesen elementaren und für viele Menschen existentiellen Erfahrungen des Lebens und der kulturellen Identität auszuweichen.
Was und wie können wir also im Advent und zu Weihnachten erzählen, ohne andere mit der christlichen Botschaft zu vereinnahmen und dennoch religiöse Aspekte in ihrer Bedeutung für viele Menschen zu achten und zu würdigen? Gerade in den Erzähltraditionen dieser Zeit lassen sich viele religionsverbindende Ausgangspunkte mit einbeziehen. Denn kulturelle und ethische Bildung ist mit all ihren Facetten nicht völlig losgelöst von religiösen Wurzeln zu vermitteln. Je bewusster und offener wir mit diesem Phänomen umzugehen wissen und dem Austausch dazu Raum geben, desto wirksamer können wir gemeinsam gegen fundamentalistische Strömungen Position beziehen und einem Missbrauch von Religion entgegentreten.
Passende Kamishibai-Bildergeschichten in diesem Sinne sind:
Die Seite religionen-entdecken.de vermittelt spielerisch Wissen über die Weltreligionen Judentum, Islam, Christentum, Buddhismus, Hinduismus und Bahai.
Susanne Brandt, Bibliothekarin, Autorin von Liedern, Geschichten und Gedichten sowie von pädagogischen Praxisbüchern. Sie arbeitet als Lektorin bei der Büchereizentrale Schleswig-Holstein, ist in der Erwachsenenbildung tätig und veranstaltet Mitmachaktionen für Kinder rund ums Kamishibai.
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