Wie aus Zwergen Schweinchen werden

Sprachförderung mit Kindern unterschiedlicher Herkunft

Publiziert am 06.04.2016 von Helga Gruschka

Illustration: Petra Lefin

Jeder Kindergarten betreut Kinder unterschiedlicher Herkunft und aus vielen Kulturen. Will die Erzieherin Kinder mit Migrationshintergrund gleichermaßen einbinden, hilft ihr das Erzähltheater Kamishibai. Die Erzählerin Helga Gruschka berichtet über ihre neuesten Kamishibai-Erlebnisse und Völkerverständigung ohne Worte.

Erfahrungen einer Erzählerin in einem multikulti-Kindergarten

„Seit Jahren besuche ich einen Kindergarten in meinem Brennpunktstadtteil. Schon immer traf ich hier auf einzelne Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen. Neuankömmlinge finden hier vorübergehend Unterkunft bei Verwandten oder Freunden. Sie wissen, dass die Kinder so schnell wie möglich Deutsch lernen müssen und schicken sie in den Kindergarten. Bei meinem ersten Besuch jetzt im Herbst 2015, nach den Ferien hat sich die Situation verändert. Die Erzieherinnen machen einen überforderten Eindruck. Auf meine Frage "Was habe ich denn heute für eine Gruppe zum Erzählen?" die Antwort: „Nehmen sie doch heute unsere kleinen Neuen!" Also packe ich mein Kamishibai aus und sehe mich 12 Zwergen gegenüber, die auf einer Matte am Boden vor mir sitzen. Wie immer begrüße ich sie und stelle mich vor. Der Betreuer, ein Erzieher sagt mir beiläufig: "Acht von den Kindern sprechen noch kein Deutsch!" Ich atme tief durch und überlege kurz. Dann stelle ich trotzdem das Märchen "Der dicke fette Pfannkuchen" ins Kamishibai und beginne ganz normal – ich stelle ein Bild nach dem anderen vor, versuche, die Kinder die Gegenstände und Lebewesen benennen zu lassen. Die es können tun es, die anderen hören zu und lassen ihre Blicke zwischen Bildern, meinem Mund und den Mündern ihrer kleinen Freunde wandern. Sie kommen mir vor, wie kleine Schwämme, die Sprache aufsaugen wollen. Mit Zeigen, Deuten, Mimik und Gestik beziehe ich die benannten Begriffe ein in meine Erzählung und hoffe, dass die Kinder etwas verstehen. Es muss wohl so sein, denn sie sind ganz brav. Ab und zu halte ich die Kleinen an, Wörter nachzusprechen und da fallen auch die Nicht-Deutsch-Sprechenden begeistert in den Chor ein. Am schönsten ist das Wort "Schwein" nachzusprechen und dann zu grunzen. Ich habe eine kleine Herde vergnügter Schweinchen vor mir, die verschiedenen Nationalitäten sind nicht mehr festzustellen.“

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