Die kleine Schusselhexe und der Drache

Eine Geschichte über die Liebenswürdigkeit des Unperfekten und den Umgang mit gefühlter Bedrohung

Publiziert am 06.09.2018 von Gesa Rensmann

Die Selbstoptimierung und der Perfektionismus-Wahn machen auch vor Kindern nicht halt. Da kommt eine Geschichte gerade recht, die zeigt, dass Fehlerfreundlichkeit und das Nicht-perfekt-Sein oft liebenswerter und auf alle Fälle menschlicher sind.

Eine Geschichte gegen Selbstoptimierungsdruck bei Kindern

Die Selbstoptimierung und der Perfektionismus-Wahn machen auch vor Kindern nicht halt. Spätestens ab der Grundschule finden sich Kinder zu dick oder zu dünn, zu schüchtern, zu unsportlich, ihr Haar zu lockig oder zu langweilig usw. Da kommt ein Bilderbuch gerade recht, das zeigt, dass das Nicht-perfekt-Sein oft liebenswerter und auf alle Fälle menschlicher ist.

Die Geschichte

In der Geschichte „Die kleine Schusselhexe und der Drache“ (als Bilderbuch erhältlich beim Carl Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-25310-0) fühlen sich die alten Hexen von dem riesigen Drachen, der über ihnen schwebt, bedroht. Eine diffuse Angst liegt in der Luft. Man weiß ja, was Drachen wollen: zerstören, Unheil stiften, böse sein … Die alten Hexen ergreifen gleich Maßnahmen, um die Bedrohung loszuwerden, dumm nur, dass der Drache ihnen bei ihren Abwehrversuchen die Hexenbesen verkohlt.

Illustration: Henrike Wilson

Die kleine Schusselhexe wird zu Hilfe geholt. Sie soll den Bösewicht endgültig vertreiben. Mutig fliegt sie dem Drachen entgegen und spricht den passenden Hexenspruch:

„Geisterhexen in der Luft,
hört die Schwester, die euch ruft!
Singt ein garstig Geisterlied,
dass der Drache …“

Die kleine Schusselhexe ist nicht nur mutig sondern auch schusselig und so beendet sie den Spruch mit „Kreise fliegt“.
Das tut der Drache dann auch und nachdem die kleine Hexe noch mehr Zaubersprüche verschusselt, landet er schließlich im Zauberwald auf dem Rücken und strampelt mit den Beinen. Und siehe da. Die mächtige Bedrohung wirkt eher hilflos. Tatsächlich erweist sich, dass der Drache Hilfe braucht. Er wird von den anderen Drachen nicht ernst genommen, weil er rote Punkte hat. Die sollten ihm die Hexen wegzaubern. Und weil es keinen Hexenspruch gegen rote Drachenpunkte gibt, ist es mal wieder die kleine Schusselhexe, die eine pragmatische Lösung herbeiführt: einen Drachenmantel in Lodengrün. Das Modell kommt bei den anderen Drachen so gut an, dass nun jeder einen will. Und die kleine Schusselhexe, die weiß wie es ist, wenn man für das Nicht-perfekt-ins-Bild-Passen ausgelacht wird, erlaubt sich einen guten Gag: Sie zaubert nur Mäntel mit roten Punkten. Willkommen im Club der Unvollkommenen!

Illustration: Henrike Wilson

Gesprächsanlässe

In dieser kleinen, mit kräftigen Strichen gemalten Bilderbuchgeschichte steckt so viel drin, was man Kindern gern mit auf den Weg geben möchte:
• Sei unperfekt! Steh zu deinen Sprachfehlern, roten Punkten und sonstigen Ecken und Kanten.
• Schau genau, was dir bedrohlich erscheint: Vielleicht braucht es nur ein bisschen Mut und Einfühlungsvermögen und die Bedrohung löst sich in Luft auf!
• Sei spontan, auch wenn du meinst, du kannst das noch nicht richtig! Der erste Schritt ist immer der wichtigste, alles Weitere ergibt sich.
Und wem all das noch nicht genug Anreiz ist, das Bildkartenset auszuprobieren: Es darf nach Herzenslust mitgereimt werden:

„Schneiderhexen, eins, zwei, drei,
aus der Mantelschneiderei,
ob mit Husten, ob verschnupft,
bring uns Mäntel …“

Anu Stohner, Henrike Wilson, Die kleine Schusselhexe und der Drache
© 2016 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München

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