Erzählen oder Vorlesen?

Zwei Methoden gegenübergestellt

Publiziert am 24.08.2017 von Simone Klement

Die Methode, die die einzig richtige ist, gibt es nicht! Es gibt unterschiedliche Situationen, für die sich jeweils Erzählen oder Vorlesen besser eignen. Beide Methoden fördern Kinder – nicht nur sprachlich sondern auch in ihrer Kreativität, in ihren sozialen Kompetenzen und in ihrer Fantasie. Daher ran an die Bücher und ans Kamishibai!

Erzählen vs Vorlesen

Die Fantasie wird beflügelt, die Kreativität gefördert, soziale Kompetenzen erweitert und die Sprache geschult: Beides, das Erzählen – mit oder ohne Kamishibai – und das Vorlesen aus Büchern, fördert die Sprachentwicklung bei Kindern ganz besonders. Es fördert sie nur auf verschiedene Weise und teils in unterschiedlichen Bereichen.

Erzählen mit dem Kamishibai

Das Erzählen mit dem Kamishibai eignet sich für eine größere Anzahl von Kindern. Durch das DIN A3-Format sind die Bilder für viele Kinder zu sehen und durch das Erzähltheater bekommt das Erzählen etwas Besonderes, es wird sozusagen zum „Kinobesuch ohne Strom“: Die Kinder machen es sich vor dem Erzähltheater gemütlich und wenn die Flügeltüren des Theaters geöffnet werden, geht es los! Die Vorstellung kann beginnen – teils vielleicht sogar mit einem typischen Einleitungs-Ritual für die Erzählstunde: vielleicht ein Gong der Klangschale oder ein kleiner Vers zu Beginn jeder Geschichte. Fürs freie Erzählen im Kamishibai muss die Geschichte, die erzählt wird, dem Erzähler bekannt sein, damit eine gute Interaktion mit dem „Publikum“ möglich ist. Dies ist ein Vorteil des freien Erzählens: Der Erzähler ist in direktem Kontakt mit seinen kleinen Zuhörern und kann auf deren Reaktionen eingehen. Deshalb empfehlen wir fürs Erzählen mit dem Kamishibai auch immer das freie Sprechen. Haben die Kinder vielleicht gerade einen Zusammenhang nicht verstanden? Dann wird diese Stelle nochmal erzählt! Finden die Kinder eine Stelle besonders lustig? Dann kann dieser Teil der Geschichte etwas ausgebaut werden. Immer möglich sind hierbei auch Mitmach-Chancen, beispielsweise können bei einem Märchen mit Tieren die Tierstimmen nachgemacht werden oder kurze Sequenzen können szenisch umgesetzt werden. Der Erzähler muss sich hierbei nicht auf einen Text konzentrieren, den er vorliest, und so ist mehr Interaktion mit den Kindern möglich.

Es handelt sich aber dennoch um bildgestütztes Erzählen, d.h. der Erzähler kann sein Gedächtnis mit den Bildern unterstützen. Zudem profitieren natürlich auch die Kinder von den Bildern und können die Erzählungen mit den Bildern besser begreifen, z.B. vor allem dann, wenn sie die deutsche Sprache noch nicht so gut beherrschen.

Vorlesen

Vorlesen eignet sich besonders für einzelne oder wenige Kinder. Wenn ein Kind der Gruppe beispielsweise mit einem Bilderbuch zur Erzieherin kommt und sich wünscht, dass sie ihm das Buch vorliest, können es sich die beiden bequem machen, gemeinsam die Bilder betrachten, darüber sprechen und die Erzieherin liest die Geschichte vor. Das Vorlesen bietet damit eine besondere Kuschelsituation für die Kinder und den Vorleser: Beim Vorlesen schenkt man einem oder wenigen Kindern besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung. Hierfür ist es nicht nötig, dass die Erzieherin sich zuvor schon mit der Geschichte ausgiebig beschäftigt hat, wie dies fürs freie Erzählen im Kamishibai nötig ist. Daher eignen sich auch Geschichten zum Vorlesen, die noch unbekannt oder neu sind. Ein Vorteil des Vorlesens: Die Kinder kommen mit Büchern in Kontakt – ein möglicher Grundstein dafür, dass Kinder später selbst Leselust entwickeln.

Sprachförderung

Zur sprachlichen Förderung der Kinder tragen sowohl Erzählen als auch Vorlesen bei. Unterschiede gibt es im Sprachgebrauch. So ist ein Erzähler wohl meist näher an der Alltagssprache als dies beim Vorlesen von Bilderbüchern oder vor allem auch alten Märchen der Fall ist. Auch in der Satzstruktur wird es Unterschiede geben: In alten Märchen ist ein Satz möglicherweise anders strukturiert, vielleicht mit mehreren Nebensätzen, als dies beim freien Erzählen der Fall ist. Damit kommen die Kinder beim Vorlesen auch mit Satzstrukturen in Kontakt, die ihnen in der Alltagssprache eher nicht begegnen. Das Erzählen hingegen spiegelt die Sprache wider, von der die Kinder umgeben sind. Damit werden Strukturen gefestigt, die ihnen schon bekannt sind. Beim Vorlesen von Bilderbüchern kommen die Kinder somit mit der schriftlichen Sprache in Kontakt, beim Erzählen hingegen erfassen sie die mündliche Sprache. Somit kann das Vorlesen von Bilderbüchern Kinder dafür begeistern, selbst etwas lesen zu wollen. Beim Erzählen hingegen können auch erste Schritte dahingehend gemacht werden, vor einer Gruppe selbst frei zu sprechen.

Was nun: Erzählen oder Vorlesen?

Die Methode, die die einzig richtige ist, gibt es nicht! Es gibt unterschiedliche Situationen, für die sich jeweils Erzählen oder Vorlesen besser eignen. Beide Methoden fördern Kinder – nicht nur sprachlich sondern auch in ihrer Kreativität, in ihren sozialen Kompetenzen und in ihrer Fantasie. Daher ran an die Bücher und ans Kamishibai!

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