Hilfsmittel, um den Erzähltext erzählbar zu machen
Wie behalte ich den Erzähltext zu den Kami-Bildkarten im Blick? Was mache ich bei längeren Texten? Und warum steht die Erzählvorlage in verschiedenen Bildkartensets an unterschiedlichen Stellen? Hier kommt ein hilfreicher Überblick zum Umgang mit unterschiedlichen Textlängen, Erzähltipps sowie Vorteile von unterschiedlichen Bildkartenkonzepten.
Jeder, der das wunderbare Kamishibai Erzähltheater schon einmal verwendet hat, stand vermutlich beim ersten Mal, so wie ich auch, vor der Frage: „Wie handhabe ich das mit dem Text?“ Vorlesen? Erzählen? Es heißt ja Erzähltheater. Kann ich mir so viel Text überhaupt merken? Muss ich mich genau an die Textvorlage halten oder erzähle ich frei? Und warum steht bei manchen Bildkarten der Erzähltext auf der Rückseite der Titelkarte, bei anderen woanders? Der große Vorteil bei Bildkartensets mit Text auf einer Textkarte: Die Bildkarten funktionieren in jedem Kamishibai Erzähltheater, auch bei denen, die eine geschlossene Rückwand haben. Außerdem kann der/die Erzähler:in mit den Bildkarten flexibler umgehen: einzelne Bildkarten weglassen oder ggf. die Reihenfolge der Bildkarten tauschen.
Aber egal, wo der Erzähltext steht: Wie funktioniert das Erzählen mit dem vorgegebenen Text? Erste Bedenken möchte ich schon vorab zerstreuen. Es gibt kein richtig oder falsch. Falsch, oder besser gesagt, durchaus schade wäre es, wenn man das Ganze überhaupt nicht macht. Gehen wir einen Schritt zurück! Wie gehe ich mit dem Text um? Folgende Vorab-Überlegungen sind dazu hilfreich:
Wie viel Zeit kann ich mir sowohl für die Vorbereitung als auch für die Durchführung eines Angebots mit dem Kamishibai nehmen? Zwei Mal schnell in der Verfügungszeit durchgelesen und Los, oder ist es möglich, dass ich mich intensiv mit der Geschichte, ihrer Botschaft und der Umsetzung auseinandersetze?
Welche Absicht verfolge ich mit dem Einsatz des Kamishibais und was ist mein Ziel? Beabsichtige ich eine gut vorbereitete sprachbildende Einheit durchzuführen, die evtl. regelmäßig wiederkehrt? Ist eine Projektwoche angedacht, in die das Kamishibai mit einem bestimmten Thema bewusst methodisch integriert wird? Findet der Einsatz manchmal spontan als „Bonbon“ Statt oder nutze ich das kleine Tischtheater auch mal als interessante „Ruheinsel“, wenn das Stresslevel in der Gruppe zu hoch wird?
Alle diese Überlegungen fließen mit in die Entscheidung ein, wie ich die Geschichte vorstelle, wie intensiv ich mich inhaltlich darauf vorbereiten muss und wie ich den Text an sich nutze.
Wenn du noch nicht viel Erfahrung mit dem Kamishibai hast, empfehle ich:
Der geringste Aufwand dafür ist, das Titelblatt zu wenden und mit dem Lesen zu beginnen (so sind die Kamishibai-Bildkartensets von Don Bosco aufgebaut). Also: Titelkarte wenden und los geht’s!
Schöner wäre es natürlich, die Kamishibai-Geschichte „vorlesend vorzutragen“. Dies bedeutet: Je besser meine inhaltliche Vorbereitung war, desto weniger „kleben“ meine Augen Wort für Wort am Text auf der großen Bildkarte.
Das sind viele Dinge, die alle auf einmal zu bewältigen sind: Das große DIN A3 Blatt in den Händen halten, die Bildkarten zum passenden Zeitpunkt wechseln, artikulatorische Höhepunkte an der richtigen Stelle setzten usw. Und dann steht ja auf den Bildkartensets verschiedener Hersteller der Text an unterschiedlichen Stellen, schwer, den Überblick zu behalten!
Wie gelingt mir das alles, ohne den roten Faden zu verlieren?
Ein Beispiel für solche Bildkartensets ist die Geschichte „Die drei kleinen Schweinchen“. Sie haben sowohl die einzelnen nummerierten Bilder als auch den dazugehörigen Text auf der Rückseite des Covers in übersichtlichen Abschnitten abgedruckt:
Das ist für den Anfang sehr hilfreich, denn so bin ich während des Vortragens jederzeit in der Lage, das Bild, das gerade im Kamishibai für die Zuschauer:innen sichtbar ist, mit meinem Text und dem dazugehörigen Bild zu vergleichen. Ich habe jederzeit den Überblick, wo ich mich gerade in der
Geschichte befinde und laufe nicht Gefahr, den Text zu einem falschen Bild vorzulesen. Denn zu Beginn kann es durchaus vorkommen, dass du z.B. aus Versehen zwei Bildkarten erwischt und diese auf einmal herauszieht und schon laufen Bild und Text auseinander.
Der Gesamtüberblick hilft zudem, dabei zu entscheiden, ob und wie viele Bildkarten ich bei einer Geschichte evtl. weglassen möchte, weil für jüngere Kinder z.B. sechs der zehn Bildkarten völlig ausreichend sind.
Mitunter finden Kolleg:innen die Rückseite des Titelblattes auch zu groß und zu unhandlich, vor allem, wenn man gestikuliert und mit dem großen DIN A3-Blatt in der Luft „herumwirbelt“. Eine Alternative kann es dann sein, die Karte kurz auf dem Schoß abzulegen, wenn du sitzend vorträgst oder sie auf den Tisch legst, sodass du beide Hände zur freien Verfügung hast. Vielleicht möchtest du einen passenden Gegenstand aus der Geschichte zeigen, mit den Kindern ein Fingerspiel durchführen oder sogar ein Musikinstrument mit einfließen lassen.
Für viele Bildkartensets gibt es kleine Bücher, ähnlich wie die beliebten Pixibüchleins (Abb. 2) erstellt. Auf jeder Doppelseite ist jeweils nur ein Bild mit dem passenden Text zu finden. Diese Miniaturausgaben können ebenfalls eine Hilfestellung für das Vorlesen mit möglichst viel Sichtkontakt zum Publikum sein. Die Augen finden durch die größere Schrift schnell und problemlos zum letzten Wort zurück. Der Daumen kann zudem noch als „Platzhalter“ für die entsprechende Zeile dienen, so dass die Lesung nahtlos weiter gehen kann.
Wenn die Texte allerdings umfangreicher werden, ist die Schriftgröße auf den Textkarten oft schon sehr klein und für die Bilder bleibt manchmal überhaupt kein Platz mehr. Dann ist erst recht sicherzustellen, dass du zu dem vorgetragenen Text auch das richtige Bild zeigt. Das erfordert weitaus mehr Konzentration. Meine Tipps dazu:
Kopiere die Geschichte in Vergrößerung und zerschneide die Kopie in einzelne Textabschnitte. Mache die Begriffe und Passagen, die für das Bild wichtig sind, deutlich kenntlich. Hier ein kleines Beispiel anhand der Geschichte „Das kleine Gespenst“.
Was aber, wenn die Texte zu einer Bilderbuchgeschichte richtig lang sind? Oder die Geschichte sehr viel wörtliche Rede enthält? Dann übertrage ich schon mal den gesamten Text in ein eigenes Word-Dokument, markiere die wörtliche Rede der einzelnen Charaktere unterschiedlich farbig. So gelingt es, die Stimmen der Figuren besser auseinander zu halten und die Stimmung in den Szenen sprachlich leichter zu gestalten.
Das ist natürlich sehr aufwendig und im Kita-Alltag kaum umzusetzen. Außer zu besonderen Anlässen: Vielleicht findet sich eine Kamishibai-Gruppe, die die Geschichte mit verteilten Rollen und einem Erzähler vorlesen möchte? Das nächste Sommerfest kommt bestimmt! Auch das ist eine Möglichkeit, wie man sich umfangreiche Texte aneignen kann, um sie dann komfortabel vorlesen oder stimmungsvoll frei erzählen zu können.
Manch eine:r hat die guten alten Karteikarten für sich entdeckt. Das hat den Vorteil, dass diese nicht aus Versehen in einem ungünstigen Moment zuklappen können (wie bei dem vorhin beschrieben Mini-Buch, sollte man dieses einmal kurz aus der Hand legen). Die Karteikarten sind vermutlich häufiger beim Erzählen denn beim Vorlesen anzutreffen. Ein paar in großen Buchstaben geschriebene Sätze, die gut zu entziffern sind, oder auch nur mit einem markanten Stichwort beschriftete Kärtchen können dir das „freie Erzählen“ und „Nacherzählen“ von Geschichten und Märchen erleichtern. Sie wirken wie ein Anker im Kopf und helfen, sich an Inhalte zu erinnern. An den Karten kannst du dich im wahrsten Sinne des Wortes auch „festhalten“. Wir kennen das Phänomen vielleicht noch aus der Schule, als es darum ging, vor der ganzen Klasse einen Vortrag zu halten. Wohin mit den Händen? Die Karten geben Sicherheit. Auch Moderator:innen im Fernsehen greifen teilweise auf diese Methode zurück und machen sich diese Hilfestellung zu eigen.
Es gibt Kamishibai Bildkartensets von einigen Herstellern, die gänzlich auf den Aufdruck des Textes auf die Bildkarte verzichten. Der Text der Geschichte ist in einem dem Bildkartenset beigefügten Booklet zu finden, ergänzt um Material für weiterführende Gespräche, Bildungsangebote, etc. Das bedeutet, beim Erzählen dieser Geschichten hältst du auf jeden Fall ein Heft in der Hand, das du umblättern musst oder du bereitest die Geschichte mit einer der oben genannten Methoden selbst auf.
Eine wiederum völlig andere Variante bedient sich des genauen Gegenteils. Hier sind die Texte direkt auf die Rückseite jeder Bildkarte gedruckt worden und der Vortrag ist nur möglich mit einem Erzähltheater ohne Rückwand. Das Besondere dabei ist, dass sich der Text des aktuellen Bildes auf der Rückseite der Vorgängerkarte befindet, z.B. befindet sich auf der Rückseite von Bild 4 der Text zu Bild 5 usw. Durch die fehlende Rückwand des Theaters oder einer Rückwand aus transparentem Plexiglas hat der/die Vortragende freie Sicht auf den Text. Zudem bietet sich die Gelegenheit, die Hände frei einsetzen zu können, um den Inhalt mit Gesten und Gegenständen zu unterstreichen. Auch hier können ein paar farbig markierte oder unterstrichene Textstellen (Schlagwörter) als Reminder von Vorteil sein.
Eine stehende Position hinter dem Tisch, auf dem das Tischtheater platziert wird, ist von Vorteil, da das Gesicht über dem Holzrahmen erscheint und der Blick nur hoch und runter wandert, wie beim Vorlesen eines Buches. Im Sitzen allerdings verschwindet das wichtige „Medium Mensch“ jedoch sehr hinter dem Kasten. Weder Augenkontakt noch die Artikulation des Mundes noch die Mimik können ausreichend vom Publikum erfasst werden. Stimme und damit Gemütslage und Verfassung der Erzählperson kann jedoch erkannt werden und vor allem die Betonung auf der Bildkarte und der Stimme des Erzählenden hat durchaus etwas für sich. Außerdem erleichtert die Position hinter dem Erzähltheater natürlich das Vorlesen vor Publikum, wenn man seine ersten Schritte ins Rampenlicht wagt … Für den freien Vortrag kann man jedoch sehr gut auch neben dem Kamishibai-Theater sitzen.
Eine Besonderheit für Bildkartensets mit Text auf jeder Bildrückseite bietet das „Kamishibai without a stage“: Hier findet der Vortrag gänzlich ohne den Holzrahmen des Erzähltheaters statt. Dadurch, dass sich der Text des aktuell gezeigten Bildes auf der Rückseite der Vorgängerkarte befindet, ist der Vortrag mit diesen Bildkarten sehr gut möglich.
Lesen oder erzählen, die ganze Geschichte auf einer Seite, vorne das Bild – hinten der Text, Karteikarten oder andere Hilfsmittel. – Alles hat seine Berechtigung und jede Form findet seine Fans. Es kommt darauf an, mit welcher Variante wir uns am wohlsten fühlen. Übung schafft Sicherheit! Je flüssiger der Dreiklang aus Türen öffnen, Bildkarten wechseln und Text vortragen gelingt, umso mehr Freude haben nicht nur die großen und kleinen Zuschauer:innen, sondern auch wir als Akteur:innen. Wichtig ist, so authentisch wie möglich zu sein, dann enfaltet sich die ganze Magie des Kamishibai
Erzähltheaters – garantiert!
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