Mit dem Kamishibai in der Natur erzählen

Publiziert am 14.05.2020 von Tian Laing

Das Team der Wildnisschule Habichtswald erzählt mit dem Kamishibai in der Natur Geschichten, die Kinder zu eigenem Naturerleben inspirieren und motivieren. Dafür eignet sich jedes Bildkartenset, dessen Handlung draußen spielt und mit dem sich ein Naturbezug herstellen lässt. Tian Laing nennt Beispiele für Kita und Grundschule.
Die Wildnisschule Habichtswald ist ein Programm von „Raum für Wort und Wildnis e. V. - i. Gr."

Erzählen in der Natur

In der Natur finden wir den perfekten Raum zum Erzählen mit dem Kamishibai mit und für Kinder. Die uns umgebenen Geräusche und Gerüche sorgen für eine Atmosphäre, die die Konzentration der Kinder fördert. Für mich als Geschichtenerzähler und Natur- und Wildnispädagoge ist dies ein besonderes Umfeld, um mit dem Kamishibai bildgestützt zu erzählen. Seit nunmehr vier Jahren wende ich das Geschichtenerzählen mit dem Kamishibai bei den Kindercamps der Wildnisschule Habichtswald an, die zu jeder Jahreszeit stattfinden. Das Lernfeld der Natur- und Wildnispädagogik umfasst drei wesentliche Aspekte, die im Menschen wieder reaktiviert werden sollen:
• Die Sinneswahrnehmung zu wecken
• Eine tiefgreifende Ortskenntnis zu kultivieren
• Das Band zwischen Mensch und Natur zu stärken (Young, Jon, et al., 2014: 338)

Tiere und Pflanzen als Lehrer

Beim Geschichtenerzählen mit und für Kinder dient uns die Natur als Vorbild: Jede Pflanze und jedes Tier hat eine besondere Stärke. Zu nennen sind hier eine gute Tarnung und Widerstandsfähigkeit (Durchhaltevermögen) von Pflanzen. Für Tiere gelten bspw. eine feine Nase, gutes Gehör, große Geschwindigkeit, lautlose Fortbewegung und große Geschicklichkeit. Auch jeder einzelne Mensch hat besondere Fähigkeiten, die ihn ausmachen.
In unserer Arbeit in der Natur öffnen wir mit Hilfe von Geschichten einen Raum für die Selbstwirksamkeit der Kinder. Die Natur ist dafür prädestiniert, dass Kinder ihre eigenen Stärken und Potentiale in ihr erfahren können. Das Team der Wildnisschule Habichtswald möchte die Kinder dabei begleiten und unterstützen. Das ist Naturmentoring in der Praxis.
Hiermit möchte ich dich als Leser*in einladen, gemeinsam mit den Kindern die tiefgründigen Geheimnisse der Natur zu entdecken und euer Wissen gemeinsam wachsen zu lassen. Die nachstehenden Beispiele für Kita und Grundschule helfen dir dabei.

Eine Geschichte im Kamishibai als Inspiration für eigene Naturerfahrungen

Ich erzähle mit dem Erzähltheater eine Bildergeschichte, deren Handlung draußen spielt und mit der sich ein Naturbezug herstellen lässt. Diese Geschichte verwende ich, um die Kinder im Anschluss daran für eigenes Naturerleben zu inspirieren und zu motivieren.


Hier eignet sich das Bilderkartenset „Die kleine Schusselhexe“ prima. Nach der Geschichte stelle ich den Kindern Fragen wie:
• „Wusstet ihr, dass die kleine Schusselhexe einst bei uns im Habichtswald wohnte?“
• „Habt ihr schon entdeckt, dass es bei uns im Wald auch Hasen gibt? Diese sehen aber etwas anders aus und können sich gut verstecken.“
• „Habt ihr schon die schwarzen Raben gesehen? Habt ihr schon erlebt, wie sie über uns hinweg fliegen und dabei rufen? Oft ist dabei sogar ihr Flügelschlag zu hören! “


Durch diese und ähnliche Fragen inspiriere ich die Kinder und wecke ihre Neugier. Spannend wäre es doch nun, selbst einen Hasen beobachten zu können oder einen Raben zu sehen! Die Motivation für einen Ausflug in den Wald in kleinen Gruppen ist nun sehr hoch. Weitere Aussagen zum Wecken der Neugierde:
„Von den Bäumen, die der Riese damals ausgerissen hat, stehen noch immer welche hier im Wald. Es sind Fichten. (Hierbei zeige den Kindern nochmal die entsprechende Szene aus dem Bildkartenset.) Ich zeige euch, wo sie stehen. Wenn ihr seht, wie hoch sie sind, könnt ihr euch vorstellen, wie groß der Riese gewesen sein muss.“
Mit wenigen Mitteln kann an dieser Stelle ein Suchbild im kindlichen Hirn für Nadelbäume, hier die Fichte, entstehen. Dafür betrachten wir den Baum mit den Kindern genau, fühlen seine Rinde, riechen an dem Fichtenharz, hören ggf. das Rauschen der Zweige im Wind, kurzum: Zur Ausbildung von Suchbildern nehmen wir mit möglichst vielen Sinnen wahr. Durch das vorherige Erzählen der Geschichte mit dem Kamishibai entsteht die nötige Aufmerksamkeit (der Gedankenfokus) dafür.

Mit dem Kamishibai zu Naturbeobachtungen inspirieren

Nachdem die Kinder die Fichte kennengelernt haben und diese durch die Geschichte relevant geworden ist, können wir bei Gelegenheit auch auf einen anderen Nadelbaum verweisen, z. B. eine Kiefer, wenn wir vor einer stehen: „Schaut mal, dieser Baum hat auch Nadeln, aber er sieht irgendwie anders aus, als der, den der Riese ausgerissen hat. Was das wohl für einer ist?“ Ein gemeinsamer Blick in den Naturführer lohnt sich. Und schon kann sich ein Suchbild für einen weiteren Nadelbaum im kindlichen Gehirn etablieren.

Mit den Fragen und Ausführungen gebe ich Anreize, die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen. Die Kinder achten nun eher darauf, welche großen Vögel über uns hinweg fliegen oder welche Nadelbäume uns umgeben. Zudem wird dadurch ihre Ortskenntnis in der Natur erweitert, da sie die vorkommenden Arten kennenlernen.

Eine weitere Geschichte für das Erzähltheater, mit der wir Kinder leicht zu eigenen Naturerfahrungen inspirieren und motivieren können, ist „Es klopft bei Wanja in der Nacht“. Passende Fragen mit Naturbezug zu dieser Geschichte sind:
• „Welche Tiere leben außerdem bei uns im Wald, die bei Wanja Schutz suchen könnten? Wie sehen ihre Fährten aus?“
• „Wie verbringen die Tiere aus der Geschichte die Winterzeit? Was essen sie dann?“
• „Gibt es bei uns auch Braunbären?“
• „Wo leben Braunbären, was brauchen sie für einen Lebensraum?“

Werde hierbei selbst kreativ und finde die passenden Fragen zu den jeweiligen Geschichten, die in Kindern die Begeisterung wecken, in die Natur hinauszugehen und lernen zu wollen! Diese Neugierde zu wecken ist eine große Kraft des Geschichtenerzählens und kann in der Arbeit mit dem Kamishibai in der Natur sehr gut Anwendung finden.

Literaturangabe: Young, J., Haas, E., McGown, E. (2014): Grundlagen der Wildnispädagogik - Mit dem Coyote-Guide zu einer tieferen Verbindung zur Natur. Buch 1 – Handbuch für Mentoren. Biber-Verlag, Extertal.

Tian Laing ist ausgebildeter Erzähler, Natur- und Wildnispädagoge und hat Ökologische Landwirtschaft (BSc. und MSc.) in Kassel und Wien studiert. Im Jahr 2016 gründete er die Wildnisschule Habichtswald, die sich seit April 2020 in Trägerschaft des Vereins „Raum für Wort und Wildnis“ befindet.


www.tian-laing.de
www.wortundwildnis.de

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