"Rolle, rolle, hin und her ..."
„Mehr, mehr“ ruft der kleine Häwelmann in der Originalfassung aus dem 19. Jahrhundert immer fordernder. Der neue Vers "Rolle, rolle, hin und her ..." zum Mitsprechen hingegen greift die ursprüngliche Entdeckerlust und Neugier des Kindes auf, mit der es am Abend zu seiner Traum- oder Fantasiereise aufbricht.
Diesem bekannten Kunstmärchen von Theodor Storm wurden der wiederkehrende Vers „Rolle, rolle – hin und her, immer weiter, mehr und mehr …“ dem für Kamishibai behutsam bearbeiteten und leicht gekürzten Originaltext neu hinzugefügt: Die dem Text innewohnende Rhythmik in der Abfolge der einzelnen Reisestationen wird so spielerisch aufgegriffen und mit den Kindern aktiver zur Entfaltung gebracht. Zugleich ergibt sich auch hierbei wieder ein bewegtes Zusammenspiel zwischen dem wiederkehrenden Vers und dem wiederkehrenden Bildwechsel.
Illustration: Petra Lefin
Mit der Möglichkeit, dass die Kinder hier den Vers mitsprechen können, erfährt das Kunstmärchen zugleich eine etwas andere Akzentuierung für die Deutung der Geschichte: Während das Märchen in der Originalfassung aus dem 19. Jahrhundert mit dem immer aggressiver werdenden „mehr, mehr“ deutlicher die sich steigernde Maßlosigkeit des Kindes vor Augen und Ohren führt und das mit spürbar erzieherischen Absichten tut, zieht sich mit dem Vers „Rolle, rolle – hin und her …“ eher die ursprüngliche Entdeckerlust und Neugier des Kindes durch die Geschichte, mit der das Kind am Abend zu seiner Traum- oder Fantasiereise aufbricht. Mit dem Vers zum Mitsprechen wird die Geschichte also stärker vom Kind her gedacht und erzählt und weniger wertend über das Kind, das in der Geschichte – natürlich – die Grenzen auszureizen und zu überwinden versucht.
Auch bei Storm steht am Ende die Rettung des Häwelmann, für die er nun ebenso die zuhörenden Kinder direkt anspricht und mit einbezieht. In der Kamishibai-Fassung aber erlaubt die Rhythmisierung der Geschichte durch den wiederkehrenden Vers nun zusätzlich einen abschließenden „Wiegevers“, der die Geschichte rundet und das Ende auch in der Bewegung für Kinder nachvollziehbar macht: Während das fortwährende „Rolle, rolle …“ im Verlauf der Geschichte durch kreisende Bewegungen der Hände begleitet werden kann, wandelt sich nun das drängende Weiterfahren in ein Schaukeln als Ausdruck einer Haltung, bei der das Kind für seine ausufernden Träume und Wünsche nicht getadelt wird, sondern durch die Erfahrung von Geborgenheit endlich zur Ruhe findet.
Wie schon bei den „Drei Schmetterlingen“ bietet auch hier der wiederkehrende „Rolle-Vers“ vielfältige Möglichkeiten zur sprachlichen Gestaltung beim Vorlesen, Erzählen und Mitsprechen. Wie lässt sich in der sprachlich beschriebenen Bewegung eine Steigerung im Fortgang der Geschichte durch die Modulation der Stimme hörbar machen? Vielleicht bekommt das „Rolle, rolle“ von Bild zu Bild mehr Schwung und wird immer schneller gesprochen? Oder der Häwelmann wird immer mutiger und abenteuerlustiger? Wie lässt sich das beim Sprechen des Verses zum Ausdruck bringen?
Es gilt: Ein wiederkehrender Vers wird nicht immer in gleicher Weise gesprochen, auch wenn sich die Wortfolge nicht ändert. Die Kinder können beim Vorlesen und Erzählen erleben, wie sich die Dramatik der Handlung in den vertrauten Worten immer neu und anders zeigt – und ihre eigenen stimmlichen Möglichkeiten daran erproben.
Weitere Beispiele zum Thema Sprachförderung durch Klang, Reim und Rhythmus im Kamishibai: Der dicke, fette Pfannkuchen, Die drei Schmetterlinge.
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