Tipps zum freien Erzählen von Kinderbibelgeschichten mit dem Kamishibai

Am Beispiel der Geschichte "Josef und seine Brüder"

Publiziert am 13.06.2024 von Esther Hebert

© Don Bosco Medien 2016

Viele Erzieher:innen scheuen sich davor, Bibelgeschichten im Kindergarten zu erzählen. Dabei ist es gar nicht schwer, eine Kinderbibelgeschichte mit dem Kamishibai spannend zu erzählen. Erzählprofi Norbert Kober gibt hilfreiche Tipps zum Erzählen von Kinderbibelgeschichten und erklärt sie am Beispiel der Josefsgeschichte.

Kinderbibelgeschichten erzählen für Einsteiger:innen

„Warum hat der Vater vom Josef den Josef lieber als seine anderen Kinder? Das ist gemein!“ – Viele Erzieher:innen scheuen sich davor, Bibelgeschichten im Kindergarten zu erzählen – zu groß ist die eigene Unsicherheit und die Befürchtung, angesichts „philosophischer“ Fragen der Kinder etwas dumm da zu stehen. Meist werden Bibelgeschichten deshalb an die Kollegin in der Einrichtung delegiert, die „sich sowieso um die Religion kümmert“. Dabei ist es gar nicht schwer, eine Kinderbibelgeschichte mit dem Kamishibai spannend zu erzählen. Erzählprofi Norbert Kober, ausbildender Erzähler der Goldmund Erzählakademie, gibt hilfreiche Tipps, die jeder selber ausprobieren kann. So bringen Sie Ihren Kindern den uralten Schatz der Bibelgeschichten nahe.

Geschichtenbeispiel: Josef und seine Brüder

Vielleicht erinnern Sie sich an diese alte Geschichte: Ein Vater, Jakob, hat 12 Söhne. Und einen davon, Josef, hat er besonders lieb und verwöhnt ihn mit teuren Geschenken. Warum die Brüder sich das nicht gefallen lassen und wie am Ende doch wieder alle miteinander versöhnt werden, erfahren wir als Zuhörer und Zuschauer. Norbert Kober rät: „Erzählen Sie die Geschichte zu den Bildkarten frei, lebendig und im Dialog mit den Kindern“ – dann wird das Ganze zu einem Erlebnis.

Was heißt frei erzählen?

Beim freien Erzählen gibt der Erzähler/die Erzählerin eine Geschichte in eigenen Worten und im Kontakt zu seinem Publikum wieder. Der/die Erzählende gibt weder einen auswendig gelernten Text wortgetreu wieder, noch liest er ihn ab. Das freie Erzählen geschieht mit Bildern als Erinnerungshilfe. Gemeint sind einerseits innere Bilder, die in jedem unwillkürlich beim Lesen einer guten Geschichte aufsteigen. Andererseits sind damit echte Bilder gemeint: Sie sind eine große und beliebte Erinnerungshilfe beim Erzählen, strukturieren die Geschichte und fesseln gleichzeitig die Aufmerksamkeit des Publikums. Deshalb funktioniert Geschichtenerzählen mit dem Erzähltheater Kamishibai so gut: Großformatige farbige Bildkartensets stellen eine Geschichte in einer Bilderfolge dar. Der mitgelieferte Text gibt die Handlung der Geschichte kindgerecht wieder. Die Bildkarten werden in einem Erzähltheater Kamishibai präsentiert, das für alle Zuhörer gut sichtbar ist.

Warum nicht einfach den Text vorlesen?

Natürlich können Sie den Text parallel zu den einzelnen Bildern vorlesen. Für Norbert Kober ist aber das freie Erzählen die sinnvollere Alternative: Wer nur den Text zu den Bildkarten vorliest, verpasst die Chance, eine Geschichte lebendig und fesselnd zu präsentieren. Denn beim freien Erzählen haben Sie viel mehr Kontakt zu Ihren Zuhörern:

Lebendig erzählen heißt Mitmachchancen einbauen

Bauen Sie beim Erzählen „Mitmachchancen“ ein, dann können die Kinder dem Drang nach Bewegung nachgeben, der sich beim Erzählen einer spannenden Geschichte aufbaut. Beim freien Erzählen haben Sie schlicht „die Hände frei“ dafür. Solche Mitmachchancen können sein: Bewegungen, die einen Part der Geschichte untermalen, Klatschen als Einstiegsritual in die Geschichte, Gesten usw. So machen die Kinder pantomimisch die Bewegung mit, wenn Josef aus der Grube an einem Seil gezogen wird, in die zuvor die Brüder ihn geworfen haben. Oder sie verbeugen sich mit, wenn Josef seinen Traum von den 12 Getreidegarben erzählt. Wichtig ist, dass die Mitmachidee auch wirklich in die Geschichte passt. Es hat wenig Sinn, zwischendurch die Kinder einmal durch den Raum rennen zu lassen. Dann entsteht nur Chaos und die Aufmerksamkeit der Gruppe ist dahin.

Lebendig wird die Geschichte auch, wenn Sie die Figuren der Geschichte selbst zu Wort kommen. Bauen Sie also „direkte Rede“ ein.

Das Thema der Geschichte finden

In Märchen oder Bibelgeschichten stecken meist mehrere Botschaften/Probleme oder Knackpunkte, von denen man jedes thematisieren könnte. Es kommt aber in einer konkreten Erzählrunde im Kindergarten darauf an, sich auf ein solches Thema zu beschränken. Wichtig ist dabei, Ihre Zielgruppe im Blick zu behalten: Passt das Thema/das Problem zu den Kindern, zu ihrem Entwicklungsstand, ihrer Lebenswelt? Auf den Knackpunkt der Geschichte kommen Sie als Erzähler/in, wenn Sie über die Frage nachdenken: Was kann ich den Kindern von der Geschichte als Botschaft weitergeben, was ist für mich der „ethisch-spirituelle“ Gehalt? Im Beispiel von Josef können z.B. das Thema sein: Geschwisterstreit; Versöhnung; Gebet in der Not; Gerechtigkeit; Träume ...

Dialogisch erzählen

Und das geschieht im freien Erzählen mit Kindern durch den Dialog. Erzählen ist immer auch Kommunikation mit dem Publikum. Deshalb ist es für Sie als Erzählerin oder Erzähler wichtig, sich im Vorfeld ein Thema oder den Aspekt in der Geschichte herauszusuchen, was Sie mit den Kindern im Gespräch herausarbeiten wollen. Erzählen Sie mit dem Publikum: Sprechen Sie mit den Kindern über das Problem, das Hindernis, die Herausforderung, die Entscheidung – das, was in der Geschichte gelöst werden muss. Fragen Sie „Wie geht es dem Josef jetzt?“ – „Wie könnte man ihm helfen?“ - „Was würdet ihr jetzt tun?“ – „Wie glaubt ihr, geht es jetzt weiter?“ usw. Besonders bei Bibelgeschichten ist es wichtig, dass Sie als Erzähler/in das Thema aussuchen, das Ihnen wichtig ist und über das Sie mit Ihrem Publikum in Dialog treten. Haben Sie keine Angst, theologisch etwas „falsch“ zu machen – Sie sind nicht im Religionsunterricht, wo ein Thema um einiges intensiver bearbeitet und verschiedene Aspekte erklärt und zum Tragen kommen würden.

Damit der Dialog auch klappt, ist es vor allem bei größeren Gruppen wichtig, gleich zu Beginn Gesprächsregeln aufzustellen und vor allem im ersten Teil der Erzählstunde strikt einzuhalten: Nur der darf reden, der Handzeichen gibt und „aufgerufen“ wird. Andernfalls beherrschen wenige Kinder das Gespräch und andere Kinder ziehen sich zurück und beteiligen sich nicht mehr.

Auf einen Blick: 6 Tipps zum freien Erzählen von Bibelgeschichten mit dem Kamishibai in Kindergarten, Grundschule und Gemeinde/Katechese

  1. Lesen Sie den Text zu den Bildern und denken Sie darüber nach:
  2. Welches Thema steht für Sie im Mittelpunkt? Passt es zu Ihren Kindern?
  3. Wenn es für Ihre Erzählung gut ist, tauschen Sie die Reihenfolge der Bildkarten oder lassen Sie eine oder mehrere Karten weg. Wenn Sie beim Erzählen einen Teil des Bildes verdecken möchten, den Sie dann beim Erzählen der Geschichte (soz. als Pointe) enthüllen möchten, schneiden Sie sich eine einfache Schablone zurecht, die Sie dann über die betreffende Bildkarte legen.
  4. Erzählen Sie frei. Beginnen Sie damit, was zu sehen ist. Erzählen Sie dann, was passiert. Sprechen Sie in kurzen Sätzen, von denen jeder etwa nur 3 Sekunden lang ist. Verschachtelten Sätzen kann und mag Ihr Publikum nicht folgen. Bauen Sie immer wieder direkte Rede der Handelnden in Ihre Geschichte ein. Erzählen Sie so, wie Sie auch im Alltag reden, z.B. wenn Sie Ihrer Freundin etwas erzählen: „Und dann – und dann – und dann.“ – Das wirkt authentischer (außer Sie haben eine Erzähl- oder Schauspielausbildung).
  5. Überlegen Sie im Vorfeld, welche Mitmachchancen sich anbieten in der Geschichte – Bewegungselemente, Wiederholen von Schlüsselpassagen, Pantomimisches.
  6. Probieren Sie alles einige Male aus, am besten im vertrauten kleinen Kreis, bevor Sie in Ihrer Kindergruppe an den Start gehen. Vertrauen Sie sich selbst, Ihrer Gruppe und der Macht der Bibelgeschichte: Es wird mit jedem Erzählen besser!

Hinweis: Dieser Beitrag erschien erstmals am 3.5.2016 auf www.mein-kamishibai. Wir haben ihn aktualisiert und zeigen ihn aufgrund des Leserinteresses neu.

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