Erzählen mit dem Kamishibai und der Handpuppe

Der kleine Wassermann

Publiziert am 16.04.2020 von Gerti Ksellmann

Foto: Gerti Ksellmann

Erzieherin Gerti Ksellmann ist selbständige Märchenerzählerin und Puppenspielerin. Sie erzählt mit ihren Handpuppen mit dem Kamishibai. Wie das geht, erklären sie und der kleine Wassermann.

Die Handpuppe als Eisbrecher in der Erzählrunde

Als ich vor über 10 Jahren das Kamishibai kennen und in meiner täglichen pädagogischen Arbeit im Kindergarten lieben gelernt habe, war ich schon begeisterte Puppenspielerin.
Natürlich kam mir dann auch schnell der Gedanke, wie es wohl wäre, diese beiden Medien miteinander zu kombinieren. Denn obwohl ich ja bildgestützt erzähle, wie beim Bilderbuch, habe ich beim Kamishibai die Möglichkeit zusätzlich etwas mit meinen freien Händen zu tun. Und so begann ich damit, eine Handpuppe vor dem eigentlichen Erzählen als „Eisbrecher“ einzusetzen. Die Kinder durften die Puppe begrüßen und auch streicheln oder füttern und können sich so viel leichter und schneller auf die Geschichte einlassen, weil sie ja durch die Puppe quasi schon in die magische Welt der Märchen „hineingezogen“ werden.
Dabei ist es relativ egal, ob die Handpuppe thematisch zur Geschichte passt oder die Geschichte mitgebracht hat.

Nach der Begrüßungsrunde kann die Puppe mit den Kindern Begriffe klären und sie auf die Geschichte hinführen, bevor dann das Kamishibai geöffnet wird.
Auch innerhalb der Geschichte ist es möglich die Puppe einzusetzen. Einzelne Szenen werden herausgestellt und erarbeitet.
Ich habe festgestellt, dass durch den Methodenwechsel, die Aufmerksamkeitsspanne und Ausdauer der Kinder deutlich erhöht und die Konzentration verbessert wird. Das Erzählen wird noch mehr zum Erlebnis für die Kinder, es geht schon in Richtung Theater.

Der kleine Wassermann

Das Puppenspiel ist immer eine spontane Angelegenheit, und der Charakter der Puppe hängt sehr vom Puppenspieler ab. Daher gebe ich keine wörtlichen Reden vor, sondern nur Ideen und Anregungen, wie die Puppe zu den Bildkarten eingesetzt werden kann. Vieles ergibt sich auch aus den Antworten der Kinder.

Ich habe mir die Bildkarten von Don Bosco „Der kleine Wassermann – Frühling im Mühlenweiher“ ausgesucht und möchte damit eine Erzählmöglichkeit mit Puppe und Kamishibai vorstellen.
Die passende Handpuppe dazu ist ein selbst gehäkelter kleiner Wassermann ca. 60 cm groß ( Anleitung für normal geübte Häkler gut machbar)
Hier wäre auch eine andere Handpuppe möglich, z. B. ein Frosch, ein Fisch, eine Ente, oder man verkleidet eine andere Handpuppe als Wassermann

Bevor es losgeht:

Ich verstecke die Handpuppe gerne vorher in einem Korb oder einer Tasche. Die Kinder können die Puppe wecken, und sie kommt langsam heraus. So hat man die Möglichkeit, heimlich seine Hände in der Puppe richtig zu platzieren, so dass die Puppe gleich „lebendig“ ist und die Kinder begrüßen kann.

Das vorbereitete Kamishibai mit den Bildkarten steht auf einem kleinen Tisch rechts von mir. Dort kann alles abgelegt werden, was man sonst noch zum Erzählen braucht, z. B. kleine Spieluhren, eine Klangschale, ein Glockenspiel o. ä.

Start mit der Handpuppe:

Der kleine Wassermann kommt gut gelaunt aus seinem Haus (Tasche), stellt sich vor und begrüßt die Kinder mit Händeschütteln, „High Five“ o.ä. und setzt sich dann auf den Schoß der Erzählerin. Die Handpuppe erzählt, dass sie so richtig fit ist, weil sie erst vor einigen Tagen aus dem langen Winterschlaf aufgewacht ist. Sie fragt die Kinder, ob sie denn schon lange wach sind oder ob sie nur einen kurzen Winterschlaf gemacht haben. Daraus wird sich sicher schnell ein nettes Gespräch über Winterschlaf und Schlafen entwickeln, dass aber nicht zu lange werden sollte.
Der kleine Wassermann fragt die Kinder, ob sie denn zufällig wissen wo er wohnt – genau, im Mühlenweiher. Dorthin will er sie gerne mitnehmen und ihnen sein Haus zeigen.
Aber dann fällt ihm etwas ein, und er will wissen, ob die Kinder denn auch unter Wasser atmen können, ob sie denn Kiemen haben?
Hier kann der Wassermann den Kindern seine fast unsichtbaren Kiemen hinter dem Ohr zeigen – die Kinder werden sie mit Sicherheit alle sehen!
Da die Kinder leider nur kurz unter Wasser bleiben können, müssen sie alle bei drei die Backen mit Luft füllen und die Nase zuhalten. Der kleine Wassermann und die Erzählerin machen es vor.
Schnell öffnen wir das Kamishibai, in dem das erste Bild zu sehen ist. Auf drei halten alle die Luft an und tauchen ab in den Mühlenweiher.
Vorsichtig versuchen wir, ob wir vielleicht doch unter Wasser atmen können, es ist ja eine Märchenstunde. Und oh Wunder, es geht und die Kinder dürfen wieder atmen und die Nase auslassen.
Der Wassermann begrüßt die Kinder herzlich bei seinem Haus und erzählt, dass ganz schön viel passiert ist vor ein paar Tagen. Aber das soll doch bitte die Erzählerin erzählen, er setzt sich dazu und hört auch zu.
Jetzt den Wassermann auf einen kleinen Stuhl oder in die Tasche setzen, so dass er rausschauen kann. Bitte nicht einfach auf den Boden legen!


Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten für den weiteren Verlauf der Geschichte:

1. Die Geschichte wird erzählt ohne weiteren Einsatz der Handpuppe in der Geschichte:

Die Erzählerin erzählt die Geschichte komplett durch ohne weiteren Einsatz des kleinen Wassermanns während der Geschichte, die Handpuppe hört nur zu und kommt am Schluss noch einmal zum Einsatz. Zum Erzählen empfehle ich das freie Erzählen zu den Bildkarten, die einen roten Faden durch die Geschichte liefern. Wer sich zu unsicher fühlt, kann sich den Text auf dem Deckblatt der Bildkarten zu jedem Bild vergrößern und sich Moderationskarten zum Ablesen machen.
Am Ende der Geschichte kommt der kleine Wassermann noch einmal zu den Kindern und redet mit ihnen kurz über die Geschichte. Was ihnen gut gefallen hat, und ob er sie mal wieder besuchen darf

2. Die Handpuppe kommt auch während der Geschichte noch einmal zum Einsatz:

Der kleine Wassermann wird auch während der Geschichte immer wieder eingesetzt.
Dies kann während der ersten Erzählrunde schon geschehen, bietet sich aber auch sehr gut bei einer Wiederholung der Geschichte an. Einzelne Szenen können herausgearbeitet und vertieft werden. Die Kinder werden aktiv in die Geschichte mit einbezogen. Ich empfehle die Handpuppe dosiert einzusetzen, das heißt nicht bei jeder Bildkarte, sondern vielleicht ein- oder zweimal in der Geschichte. So wird der Erzählfluss nicht zu sehr unterbrochen, und die Geschichte behält noch ihren Zusammenhang. Die Handpuppe kann auch gut zum Einsatz kommen, wenn die Konzentration der Kinder nachlässt. So holt man sie wieder ins „Boot“, wenn man eine neue Spannung in die Geschichte bringt.
Eine Aktion der Handpuppe ist grundsätzlich zu jeder Bildkarte möglich, es gibt ja immer viel zu entdecken und zu erzählen. Ich habe aber zwei Bildkarten herausgesucht, die sich meiner Meinung und Erfahrung nach besonders gut eignen.

Dazu möchte ich einige Ideen und Impulse geben:

Bildkarte 4: Der kleine Wassermann hüpft wieder auf den Schoß der Erzählerin und erzählt den Kindern, dass er losgeschwommen ist, um alle seine Freunde im Wasser zu begrüßen. Die Kinder dürfen raten, wer die Freunde vom Wassermann sind auf dem Bild. Die kleinen Fische sind die Elritzen und die blubbern immer so lustig. Ob die Kinder auch Blubbergeräusche machen können? (Blubbergeräusch mit dem Mund machen). Die Miesmuschel ist nicht seine Freundin, weil die immer so schlecht gelaunt ist. Der Wassermann erzählt, dass er sie gerne schimpfen hört, darum ärgert er sie manchmal. Ob sich die Kinder wohl vorstellen können, was die für Schimpfwörter kennt? Hier kann der kleine Wassermann ein paar lustige Beispiele bringen, wie z. B. die sagt ich bin noch trocken hinter den Ohren oder ich soll hingehen wo die Stinkalgen wachsen. Und der Frosch ist natürlich sein Freund. Die Frösche ärgern gerne den Hund, das macht auch Spaß. Außerdem können sie toll quaken. Die Kinder natürlich auch!

Ein Freund fehlt aber noch auf dem Bild, den will der kleine Wassermann aber unbedingt treffen, dass ist der alte Karpfen, wo der wohl steckt?
Die Handpuppe setzt sich wieder auf ihren Platz, und die nächste Bildkarte wird aufgedeckt.

Bildkarte 10: Hier beginnt der Einsatz praktisch schon bei Bildkarte 9. Der kleine Wassermann sitzt auf dem linken Arm als Ast oder auf einem Seitenflügel des Kamishibais.
Er erzählt, dass er so gerne hier sitzt und über den Mühlenweiher schaut. Es gibt immer was zu sehen. Und er kann auch die Menschen beobachten. Vor allem ist es so schön ruhig hier.
Stille, dann bellt und quakt die Erzählerin plötzlich, erst leise, dann immer lauter. Der kleine Wassermann lauscht und wundert sich. Er fragt die Kinder, ob sie das auch gehört haben. Was war das? Was ist da los?

Dann wird die Bildkarte 10 aufgedeckt, und der kleine Wassermann erschrickt. Er sieht, dass der Hund seine Freunde die Frösche jagt, die ihn geärgert haben. Der Hund war wohl heute nicht angeleint, wie sonst. Oh nein, er wird die Frösche gleich erwischen. Wir müssen ihnen helfen! Kinder, was können wir tun?

Die Ideen der Kinder werden gesammelt, vielleicht ist ja die richtige Lösung schon dabei. Sonst fällt dem kleinen Wassermann was ein. Er schildert kurz seinen Plan, holt sich die Zustimmung der Kinder und springt hinter dem Kamishibai ins Wasser. Man hört nur seine Stimme, wie er dem Entenpapa sagt, dass es der Hund auf sein Nest abgesehen hat. Dann ein wütendes Quaken.

Bildkarte 11 wird aufgedeckt.
Der kleine Wassermann kommt wieder und fragt, ob es geklappt hat. Er ist sehr erleichtert. Dann setzt er sich wieder auf seinen Platz in der Tasche, und die Erzählerin beendet die Geschichte.
Danach kommt der kleine Wassermann noch einmal und verabschiedet sich. Unter einem Vorwand wie z. B. er hat jetzt Hunger, er muss aufs Klo o. ä. klettert die Handpuppe in die Tasche, der Reißverschluss wird zugemacht.


Einige Tipps zum Handpuppenspiel:

  • Bitte unbedingt die Stimme der Handpuppe verstellen. Nur so können die Kinder gut zwischen dem Erzähler und der Puppe unterscheiden. Je komischer man sich mit der Puppenstimme vorkommt, umso besser passt sie.
  • Der kleine Wassermann klappt beim Sprechen den Mund auf und zu. Bitte nicht vergessen.
  • Die Arme und Hände können mit der eigenen Hand mit bewegt werden.
  • Falls Einwände kommen, wie „Das ist doch nur eine Puppe“ oder „Frau K., das bist ja du“, nicht aus dem Konzept bringen lassen, am besten schon vorher eine Antwort überlegen, Beispiele bringe ich gleich.

 

Erfahrungsgemäß muss auf solche Einwände kurz und am besten durch die Handpuppe eingegangen werden, weil die Kinder sonst immer wieder nachhaken. Danach ist es in der Regel gut, und die Erzählung kann einfach weiter geführt werden.
Beispiele:

  •  „Das ist doch nur eine Puppe“ – der Wassermann antwortet: „Ja weißt du, echte Wassermänner können nicht so lange an Land bleiben, sie werden dann krank. Darum bin ich eine verzauberte Puppe und erzähle heute für dich. Den echten Wassermann musst du im Mühlenweiher besuchen, aber der schaut wirklich genauso aus wie ich.“
  •  „Frau K., das bist ja du!“ – Die Handpuppe antwortet: „Was, ist die schon wieder hinter mir? Die verfolgt mich! Können wir gemeinsam einen Trick probieren? Wir beachten die jetzt gar nicht, und dann schauen wir, ob sie einfach geht…“


Viel Spaß beim Kombinieren der beiden wirklich sehr kindgerechten Medien!
Fragen beantworte ich gerne!

 

Gerti Ksellmann, Erzieherin, selbständige Märchenerzählerin, Puppenspielerin, Geschichtenerfinderin, Seminarleitung zum Thema Puppenspiel und Kamishibai
www.gertis-maerchenkiste.de

 

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